Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #6

Google, Gott und Gollum

Viele Experten glauben dasselbe wie aktuelle US-Studien: Bei der fünften Kolumne geht auch dem besten Kolumnisten ganz, ganz sicher der Stoff aus. Doch die Idylle trügt.    07.05.2009

Wer auch immer so wahnsinnig war, sich die ersten vier Kolumnen dieser Serie reinzuschrauben, der hockt bestimmt schon wie Gollum im Sumpf und wartet - ein Eis vernaschend - darauf, daß mir endlich, endlich die Wörter ausgehen. Denn fünf Storys zum Thema "Nichts" - das hält doch keiner durch, denkt man. Irgendwann können da nur noch Ähs und Öhs von ihm kommen, glaubt man. Und dann, äh, öh, dann wird der olle Kolumnist metaphysisch und heideggerisch-sartrisch und fängt an, von Gott und UFOs und Gollum zu brabbeln. Meint man.

Man irrt. 1. Gott ist tot! 2. Wer UFO-Steuer zahlt, ist selber schuld. Und: 3. Erkennen Sie eigentlich die Ähnlichkeit der Wörter "Kolumne" und "Gollum"? Seltsam, oder? Ach, Sie meinen, das wäre doch ganz gewiß eine Nichtigkeit? Wohl kaum: Für mich als alten "Akte X"-Gucker sind es weitere fünf Zeilen, die ich gnaden- und gewissenlos schinden kann. Und ich gehe sogar noch weiter und hänge diese Zeilen hinten dran, völlig sinnlos!

"Zeilenschinder" mögen Sie mich nun nennen, aber schlagen Sie mal eine Tageszeitung auf, ein Wochenblatt, ein Monatsheft. Haben Sie sich je überlegt, wie das so magisch funktioniert, daß die Texte immer genau dort passend aufhören, wo Spalten und Kästchen enden? Die Antwort: Wenn ein Autor mehr geschrieben hat, als auf die Seite paßt, dann werden einfach ein paar wichtige Fakten rausgestrichen, damit es für die Layouter "schöner aussieht". Bitte, das müssen Sie sich nochmal auf der Zunge zergehen lassen wie ein PEZ: Jemand, den man als Edelfeder engagiert hat, damit er was Wichtiges über die Geschichte des Zuckerls zusammenschwadroniert, liefert einen Text im Format Wörd, der so perfekt ist, wie man es von einer Edelfeder nun mal erwarten kann. Dann kommt irgendsoein Redakteur daher, der eigentlich nur seinen Arsch in der warmen Stube plattsitzt und im Hintergrund Porno-Torrents downloadet, und entfernt zwanzig Zeilen der großen Edelfeder-Poesie, damit alles seine Ordnung hat und alle Absätze unten an derselben Stelle enden, als handle es sich um Brennholz, das man in den Schupfen schlichtet.

Was für ein Wahnsinn! Kommt aber noch schlimmer! Denn der eitle Depp merkt beim Kürzen der zwanzigsten Zeile, daß er eigentlich nur siebzehn hätte kürzen müssen. Also würgt er kurzerhand drei neue Zeilen hervor, die natürlich gar nicht zum edlen Rest passen. Oder er schwurbelt hier und da ein paar fulminant füllende Füllwörter rein, bis coole drei Zeilen mehr rauskommen. Meist liebliche, nützliche, hippe Adjektive. So entsteht dann der blubbernd aufgeblähte Mist, den Sie in den modernen Zeitungen lesen müssen. (Die Füllwörter sammelt man und macht zur Zweitverwertung einmal im Monat eine Kolumne draus.)

So etwas kann Ihnen online nicht passieren: Die Web-Kolumne hört einfach auf, wenn sie zu Ende ist.

 

 

 

Was bei dieser hier noch nicht der Fall ist, glauben Sie das bloß nicht!

Die zieht sich heute hin!

Ein paar Zeilen schinde ich da schon noch heraus!

An Ideen mangelt es ja nicht, dank Internet. Hi hi hi, ich brauche doch nur Google aufzurufen und irgendeine Wortmünze in den Suchschlitz zu klackern, schon krieg ich ein Thema geliefert. Zum Beispiel "Orgelwurgel". Kennt Google aber nicht, jedenfalls nicht, bis diese famose Kolumne vom Google-Orkan aufgesaugt wurde. Eventuell fragt Google bei Ihnen noch nach: "Meinten Sie: Orgelorgel?" Klickt man dann auf das devot gereichte Ausweichangebot, landet man bloß auf blöden Seiten, die die Welt nicht braucht.

Soviel zu Google, dem angeblichen Alleswisser im Web. Stellen Sie sich mal vor, Sie gingen zu einem alles wissenden, weil weisen Zen-Meister und würden ihn fragen: "Oh, Meister Yotrobashi, was ist wohl der Sinn des Lebens?", und er würde, weil er die Antwort nicht kennt, antworten: "Wolltest du, oh Schüler, nicht vielmehr fragen: Was ist der Sinn des Laberns?" Dem alten Klugscheißer würden Sie doch eine anreiben, oder? Wenn Sie dieselbe Frage Google stellen, kommen Sie zum Wikipedia-Eintrag, der den Sinn des Lebens wie folgt erläutert: "Der Sinn des Lebens ist die Bedeutung der individuell gegebenen Lebenszeit eines Menschen." Ja, Mensch, wenn ich das mal früher gewußt hätte, hätte ich weniger gezecht und mehr gehurt!

Funktioniert also keineswegs, seine Kolumne einfach mit Cut&Paste-Gebrabbel aus dem Web zu füllen. Nein, nein, so einfach ist das nicht. Kolumnen sind harte Arbeit! Genauso wie das Vorhaben, Wörter zu finden, die Google nicht kennt. Der sensationelle "Schnomperzomp" zum Beispiel oder das hochwirksame "Sinnschmeigol" - jeweils Fehlanzeige. Der praktische "Tashenblender" - ebenfalls nichts! Und doch wüßten Sie als Mensch in allen drei Fällen genau, was damit gemeint ist, nicht? Soviel zum "Web 3.0", dem semantischen Web, das Dinge "weiß". Alles Bullshit, wo man doch auch Meister Yotrobashi fragen kann; der wird dann wenigstens nicht arbeitslos und kann sich im Frühling noch eine Kugel Eis leisten, ohne dafür betteln gehen zu müssen.

"Flushpfaehrd" - welch niedliche Subkultur-Kreatur! Doch Google kennt es nicht, will mir statt dessen ein Mainstream-Viech namens "Flußpferd" andrehen. Eigentlich unerhört. "Knötenbocker" - eine Art Hose, deren Existenz Google aber einfach nicht wahrhaben will. "Byteschuasta" - ein hilfreicher EDV-Techniker, ebenfalls nicht im Web zu finden, jedenfalls im WWW according to google. Man könnte ewig so weitermachen. "Lskajdflaksjh" - klingt doch völlig plausibel! Aber Denkste! - Google kennt es nicht. Google ist ja SOO doof. Eine richtige Drecks-Suchmaschine, wenn Sie mich fragen. Suchen Sie mal einen gewöhnlichen Punkt (".") und Sie werden sehen, was ich meine.

Und damit kämen wir denn auch sofort zur heutigen Busineß-Idee: eine Web-2.0-Webseite, auf der User Worte notieren können, die es nicht gibt, und andere schreiben, zu welchen Gelegenheiten sie diese Wörter nicht benutzt haben. Das wäre herrlich paradox, denn diese Wörter gäbe es ja dann plötzlich doch, ha ha. Andererseits: Man würde auf diese Weise ja was herstellen, Wörter nämlich, und dann käme bestimmt einer, der das besteuern wollte, ein anderer hätte ein Patent drauf, und die Typen von Duden und anderen Wörterbuchdrückern würden einen auf Schadensersatz verklagen. Also eine blöde Busineß-Idee, die nur Ärger bringt. (Falls Sie der Besitzer der Wortmarke "Lskajdflaksjh" sind: Glückwunsch! - und sorry, daß wir sie erwähnt haben!)

Wir kriegt man raus, ob es Wörter nicht gibt? "Man googelt sie!" behauptet der einfache Mann von der Straße. In diesem konkreten Fall lungerte der einfache Mann von der Straße bettelnd vor einem Eissalon herum und wollte für seine lausige Auskunft auch noch eine blaue Kugel "Schlumpf"-Eis haben. Obwohl er irrte, der Meister Yotrobashi, den seine fatale Neigung für dieses Eis hierhergetrieben hatte.

Zwar denkt Oma Brenzelschnenzel heute leichtfertig: Was Google nicht findet, das existiert nicht. Aber ist das wirklich so? Gott zum Beispiel hat keine eigene "Web-Präsenz" (was für ein Wort!). Irren also die Kirchen? Wohl kaum! Immerhin erntet "Gott" fast 38 Millionen Treffer. Hey, für eine transzendente Entität, die sich hartnäckig weigert, diesen Schmafu hier unten zu beenden, gar nicht schlecht, oder? Aber halt: "UFO" kommt auf mehr als 43 Millionen Ergebnisse - keine Chance, Gott! -, und auch die UFOs haben keine eigene "Web-Präsenz". Womit bewiesen ist: Man braucht keine eigene Homepage, um Millionen depperte Anhänger um sich zu scharen. (Zum Abschluß wollte ich noch was zu Gollum schreiben, aber dann ging mir der Platz aus.)

 

--

 

Die Reihe "Bilderrätsel, die die Welt nicht braucht" wird hiermit ausgesetzt. Stattdessen bitte ich in Kommentaren um Ihre Rezeptvorschläge für Tramezzini-Füllungen.

 

Als Appetizer ein Radiccio-Tonno-Tramezzini aus Venedig. Möchte nicht wissen, was da drin ist ... aber gerne hören, was drin sein könnte. Von Ihnen!

Andreas Winterer

Kommentare_

Gerhard - 07.05.2009 : 11.31
Einfach Herrlich. Werde das, wie es sich fürs Web 2.0 gehört, gleich mal weitertwittern.
Feinschmeckerin - 07.05.2009 : 14.20
Füllung des Tramezinis auf dem Foto:
Schokoladeneis, Kirschmarmelade und Vanillesoße - hmmmmmmmmmm ein Traum ;-)

Mahlzeit!
opaboy - 07.05.2009 : 16.46
ich hatte gerade die schönsten, emotional ergreifensten, intellektuell vordernsten und ich glaube sogar bildungsreichsten 15 min der woche, beim lesen dieser kolumne..danke
opaboy - 07.05.2009 : 16.48
achja, eis stinkt
cp - 07.05.2009 : 17.18
"intellektuell vordernsten": eine schöne formulierung. zumindest wenn sie absicht war.

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