Musik_CD-Tips KW 08/08

High Five

Mehr als fünf Punkte vergibt der EVOLVER nicht - und selbst die nur sehr selten. Heute aber bekommen gleich drei Platten die Höchstwertung, weil sie uns so prächtig unterhalten.    22.02.2008

Manfred Prescher

Adam Green - Sixes & Sevens

ØØØØØ

Beggars Group/Indigo (USA 2008)

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Die magische 15 - also die Zahl von Songs, die Adam Green normalerweise auf eine Platte pressen läßt - ist passé. Dieses Mal liefert er nämlich gleich 20 seiner überaus hübschen Miniaturen. In der Kürze liegt bekanntlich die Würze. Erstaunlich ist, wie es dem New Yorker immer wieder gelingt, sich durch die unterschiedlichsten Stile zu hangeln. Wobei "hangeln" das falsche Wort ist: Green ist so charmant, daß es einfach Spaß macht, ihm beim Stibitzen zuzuschauen. Der dreiste Typ darf alles, auch fremden Frauen unter den Rock schauen und seine schmutzigen Phantasien vor den Damen ausbreiten - die freuen sich sogar noch.

Zu Recht, da "Sixes & Sevens" fast so hinreißend ist wie "Friend Of Mine", also auf einer Stufe mit dem Hype-Album "Gemstones" liegt. Neu ist, daß jetzt ein Gospel-Chor mitsingt, was dann doch ein wenig an den späten Leonard Cohen erinnert. Eine gute Referenz. Es swingt, etwa beim zweiten Track "Tropical Island"; Nick Cave, Lou Reed und sogar D-I-S-C-O klingen an. Dazu gibt´s Panflöte, Posaune und Maultrommel, was sich aber viel obskurer anhört, als es in Wirklichkeit ist. Das fünfte Solowerk des einstigen Moldy-Peaches-Kopfes ist zwar eine intelligente, beredte, trotzdem aber eindeutig eine Pop-Platte.

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Vampire Weekend - Vampire Weekend

ØØØØØ

Beggars Group/Indigo (USA 2008)

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Noch mal New York: Das Quartett um Ezra Koenig fiel etwa vor einem halben Jahr mit einer überaus gelungenen EP auf. Nun folgt ein Album, das nicht weniger als ein Meisterwerk adoleszenter Pop-Kunst ist. Und weil die Mitglieder der Band noch jung sind, sind es auch die Texte - allerdings nicht so handfest wie bei englischen Kollegen, etwa den Kooks oder den Wombats. Dafür beschäftigen sie sich mit den wahren Alltagsproblemen von Jugendlichen, und da geht es eben normalerweise nicht um die "Little Miss Pipedream", sondern um das richtige Setzen von Beistrichen ("Oxford Comma"). Genau davon singen Vampire Weekend. Oder von der Morgenröte, die Vampire normalerweise zu Staub zerfallen läßt. Ihr Pop ist komplex, aber trotzdem eingängig, was "Walcott", der potentielle Hit für den geistig regen Indie-Fan, belegt. Die Vampire spielen mit Jazz und Rock, verlegen sich meist auf ziemlich munter groovende Afro-Pop-Elemente (z. B. bei "Cape Cod Kwassa Kwassa" oder "I Stand Corrected"), an denen auch Peter Gabriel seine Freude hätte - vorausgesetzt natürlich, er hätte dazu noch ein Fable für Abiturientenhumor. Man muß auf jeden Fall kein Prophet sein, um vorherzusagen, daß die Trend-Spatzen diese Songs spätestens im Frühsommer von den Dächern pfeifen werden.

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Nick Lowe - Jesus Of Cool

ØØØØØ

Proper Records/Rough Trade (GB 1978/2008)

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Was für ein Albumtitel, was für ein Album! Als das Ding vor 30 Jahren herauskam, war es die perfekte Mischung aus Punk, Power-Pop und Pub-Rock. Lowe, der spätere Kurzzeit-Schwiegersohn von Johnny Cash und Mitbegründer/Bassist der legendären Brinsley Schwarz, hatte ein Solodebüt hingelegt, das heute noch atemberaubend ist: zwölf Songs, die sofort ins Ohr gehen. Die Nähe zu Lowes Freund Elvis Costello und dessen Attractions ist deutlich zu hören - nicht nur bei "Little Hitler", das Elvis´ "Two Little Hitlers" vorwegnimmt. Was damals die Crux war, nämlich, daß Lowe - wie Costello - zwischen den Stühlen saß und eben kein Punk war, ist nun der Vorteil: "36 Inches High", "Nutted By Reality" oder "Music For Money" sind keine altbackenen, in grauer Vorzeit mit der heißen Sicherheitsnadel gestrickte Krawallorgien, sondern wirken so modern, daß sie auch heutigen Brit-Bands gut zu Gesicht stehen würden. Große Platte, aber das sagte ich schon. Auf der Jubiläumsausgabe von "Jesus Of Cool" ist nun auch das einst nur auf der US-Version ("Pure Pop For Now People") enthaltene "Rollers Show" zu finden. Es wurde also zusammengeführt, was Lowe eigentlich immer zusammenhaben wollte.

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