Musik_CD-Tips KW 20/08

Don´t kill your idols!

Alte Helden revisited: Diese drei CDs belegen mehr oder minder eindrucksvoll die Tatsache, daß die Pop-Veteranen den Kampf um den letzten verkauften Tonträger nicht dem Nachwuchs überlassen wollen.    16.05.2008

Manfred Prescher

Neil Diamond - Home Before Dark

ØØØØØ

Sony BMG (USA 2008)

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Nein, im Gegensatz zu Johnny Cash ist Neil Diamond nicht am Dahinsiechen. Der 67Jährige Songwriter war nur ziemlich satt, was auch kein Wunder ist. Schließlich hat er geschätzte 450.000 Lieder in die Billboard-Charts gebracht. Er mußte sich also nichts mehr beweisen und könnte prima von den Tantiemen von "Song Sung Blue" oder "I´m A Believer" leben. Rick Rubin hat ihn - soviel zu den Gemeinsamkeiten mit Cash - aber doch bekniet, wieder ins Studio zu gehen, ihm dazu die Gitarre umgeschnallt, die Jahrzehnte lang achtlos auf dem Dachboden vergammelte, und die CD "12 Songs" mit ihm aufgenommen. Das war 2005.

Danach kam eine sehr schöne, "naturbelassene" Version des Comeback-Albums heraus - und genau an die erinnert "Home Before Dark". Diamond spielt Gitarre, dazu gibt´s verhaltene Orgel-Töne, die bei Neil einfach dazu gehören. Viel mehr braucht es auch nicht. Die Stimme sorgt dann dafür, daß die Platte zu keinem Zeitpunkt an Lagerfeuer-Geschrammel erinnert, denn trotz ihrer Kargheit wirkt die zweite Kollaboration zwischen dem ungleichen Juwelen-Duo Rubin und Diamond zeitlos edel. Daß die Kompositionen perfekt sind, war natürlich zu erwarten. Songs wie "Pretty Amazing Grace", das umwerfende "If I Don´t See You Again", das flotte "No Words" oder "Another Day (That Time Forgot)", das am ehesten als Country zu bezeichnende Duett mit Natalie Maines, werden dafür sorgen, daß Neil den verdienten Grammy einfährt. Prognose: Wahrscheinlich wird Rubin in gut eineinhalb Jahren mit einer opulenteren Version des Albums aufwarten und so die Wartezeit auf Teil drei verkürzen.

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Elvis Costello & The Imposters - Momo Fuku

ØØØ 1/2

Universal (USA 2008)

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Rund 70 (?) Zuschauer verliefen sich zum bislang letzten Nürnberger Konzert des einzig echten, noch lebenden Elvis. Die, die sich da an einem warmen Sommerabend im Freien versammelten, konnten zumindest drei Dinge erkennen: 1. Costello braucht eine Zahnbehandlung; 2. er hat etwas zugelegt; und 3. er hat im Lauf seiner langen Karriere viele verdammt gute Songs geschrieben. Die Qualität hat er natürlich immer noch, obwohl seit dem Doppel "King Of America"/"Blood And Chocolate" nicht mehr alles Gold war, was Costello uns glanzpoliert vorsetzte. Doch mit "The Delivery Man" und der New-Orleans-Hymne "The River In Reverse" kam er wieder in Schwung. Costello gehört aber zu denen, die sich immer wieder mal zwischen Jazz, E-Musik, Pop und Kunsthandwerk verzetteln.

Wahrscheinlich wollte er deshalb das neue Werk "Momo Fuku" nennen, denn Ando Momofuku soll die im Fernen Osten so beliebten Fertignudeln erfunden haben. Einfacher geht es nicht: Wasser kochen, Teigwaren und Gewürzmischung darin vier Minuten ziehen lassen - fertig. Das kriegt man auch im Studio hin, zum Beispiel, während man mit den Imposters alten Zeiten hinterherjagt. Die zwölf Songs auf "Momo Fuku" erinnern an "This Year´s Model", sind aber deutlich rumpeliger produziert. Herausragend: "American Gangster Time", "Stella Hunt" und das finale "Pardon Me Madame, My Name Is Eve".

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The Charlatans - You Cross My Path

ØØ

Cooking Vinyl/Indigo (GB 2008)

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Die Scharlatane feiern ihr 20jähriges Bestehen. In ihrem Fall ist das auch tatsächlich ein Grund für ausgiebige Festivitäten, da Tod (Keyboarder Rob Collins), diverse Umbesetzungen und mangelnder Erfolg eigentlich längst das Aus hätten bedeuten müssen. Aber Martin Blunt und sein treuer Wegbegleiter John Brookes kämpfen weiter um einen Hit wie "Just When You´re Thinkin´ Things Over".

Das wird aber mit den zehn Songs von "You Cross My Path" nichts werden: Es regiert das Mittelmaß - und das halt im 80er-Jahre-Style. Das beste Stück ist noch "This Is The End"; es steht allerdings nicht zu vermuten, daß das Album das letzte Werk der Charlatans sein wird. "My Name Is Despair", "Bad Days" und "A Day For Letting Go", das mit der Zeile "Everything depends on the drugs" aufwartet, sind zwar altmodisch, aber auf eine charmante Art, weil Brit-Soul und Electro halt irgendwie gut miteinander harmonieren. Über den Rest breite ich den Mantel des Schweigens.

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