Print_Print-Tips 5/2004

Auf leisen Sohlen

Ob der Horror sich in Gestalt monströser Serienmörder, Höllendämonen, australischer Mafiosi oder japanischer Machos anschleicht - fürchten darf man sich immer.    14.09.2004

 

Jürgen Fichtinger & Peter Hiess

Beat Takeshi - Warum ich Frauen trotzdem mag

(Angkor)


Wieder einmal haben die großen Verlage geschlafen, und ein unabhängiges Books-on-Demand-Projekt mußte sich aufraffen, längst Überfälliges nachzuholen: die erste deutschsprachige Veröffentlichung eines Kitano-Büchleins. Obwohl die Übersetzung teilweise durch piefkinesische Ausdrücke verstümmelt wird, offenbart sich der typische Humor eines Beat Takeshi durchaus.

 

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Douglas Preston & Lincoln Child - Still Life With Crows

(Warner Books)


Mit Büchern wie "Relic", "Ice Limit", "Riptide" und anderen schaffte es das Bestseller-Duo, den Abenteuerroman wieder salonfähig zu machen, indem es alle seine Klischees (untergegangene Kulturen, uralte Rätsel, das ewige Böse) durch glaubhaft wirkende Recherche und einen ebenso gehaltvollen wie spannenden Schreibstil ein, zwei literarische Stufen höherschraubte. Nur leider passierte den beiden Herren irgendwann Special Agent Pendergast - ein FBI-Mann für besondere Zwecke, der völlig unglaubwürdig als allgegenwärtiger und allwissender Dandy beschrieben wird und seit einiger Zeit in den Romanen von Preston und Child die Macht übernommen hat. Leider auch in diesem, der in einem Kaff mitten zwischen den endlosen Maisfeldern von Kansas spielt, wo einerseits erstaunlich ekelhafte Ritualmorde begangen werden und andererseits ein gigantischer Wirbelsturm droht. Und dann taucht plötzlich Pendergast auf, obwohl ihn keiner gerufen hat, und zerrt die vielversprechende Story wieder Richtung Klischee. Der Mann nervt.

 

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Graham Masterton - Der Ausgestossene

(Festa)


Im Fischerdorf Granitehead geht es nicht mit rechten Dingen zu. Als John Trentons Frau Jane bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt, leidet auch der frischgebackene Witwer unter den Folgen. Plötzlich wird der seinerzeit zugereiste Antiquitätenhändler vom Geist der verstorbenen Gattin heimgesucht und muß erkennen, daß ihm dieses übernatürliche Wesen alles andere als gut gesonnen ist. Und er ist nicht der einzige, dem ein solches Schicksal in einem Dorf widerfährt, das man einst "Resurrection" nannte. Was dies alles mit ein paar Religionsfaschisten aus einem vergangenen Jahrhundert und einem gewissen Herrn Mictantecutli (einer aztekischen Gottheit) zu tun hat, soll hier nicht verraten werden. Spannende Lektüre, vom Anfang bis zum Schluß, und ein gelungener Auftakt für die Horrortaschenbuchreihe aus dem Hause Festa.

 

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Brian Hodge - Nightlife

(Festa)


Leider kann es der Verfasser des zweiten Eintrags in ebendieser Reihe mit Masterton nicht aufnehmen. In "Nightlife" dreht sich alles um eine entwendete Eingeborenendroge aus Venezuela, die bei Einnahme im wahrsten Sinne des Wortes das jeweilige (Kraft-)Tier im Menschen - nebst einer Menge grünen Schleims - hervorbringt. Der Yanomamo-Krieger Kerebawa soll das Pulver zurückbringen und muß sich in den Dschungel Miamis aufmachen, um dort mit Speer, Machete sowie Pfeil und Bogen Recht zu sprechen. Dort gerät er an den arbeitslosen Werbefachmann Justin und heftet sich mitsamt dessen Liebster an Tony Mendozas Fersen, um dem Drogendealer mit einer Vorliebe für Piranhas das "Skullflush" wieder abzujagen. Prinzipiell eine nette Genrestory, ordentlich gespickt mit brechenden Knochen und fliegenden Fleischfetzen, allerdings auch mit Klischeefiguren und unnötigen Charakterbiographien (Was der Urheber des Backcover-Textes allerdings etwas anders interpretiert: "Brian Hodges Figuren sind wie immer sehr überzeugend und lebensecht.") Kann man ruhigen Gewissens mit an den Strand nehmen oder in der U-Bahn lesen.

 

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Edward Lee - City Infernal

(Leisure Books)


Anscheinend wird Horror in den USA wirklich immer mehr für "Mallrats" und MTV-Süchtige geschrieben, deren Wortschatz ebenso verkümmert ist wie ihre Fähigkeit, komplexe Plots und Charaktere zu verstehen. Eine ähnliche Gestalt ist auch Cassie, die Grufti-Protagonistin des Romans von Edward Lee, deren Zwillingschwester Lissa Selbstmord begeht. Irgendwann entdeckt das überlebende Girlie, das mit seinem reichen Vater aufs Land übersiedelt ist, daß es die Hölle nicht nur wirklich gibt, sondern es aufgrund irgendwelchen mythischen Blablas auch Zugang dazu hat. Begleitet von ein paar unruhigen Teenager-Geistern sucht Cassie mehrmals das Inferno auf (natürlich, um ihre Schwester zu finden) und muß feststellen, daß Luzifers Reich eine riesige Metropole mit einer interessanten Ökonomie aus Fleisch, Blut, Leid und Seelen ist. Edward Lee, der in der amerikanischen Indie-Horrorszene als einer der vielversprechendsten Gore- und Splatter-Autoren gilt, tut sich mit diesem Mainstream-Roman keinen Gefallen. Trotz guter Ideen für seine Höllenstadt bleiben die Figuren von "City Infernal" stets flach und unglaubwürdig - und der Plot schafft es keinen Augenblick lang, Spannung oder Gruseln zu erzeugen. Wieder eine gute Idee vergeudet ...

 

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Ray Bradbury - Vom Staub kehrst du zurück

(Edition Phantasia)


Seit nunmehr 20 Jahren sorgt der exklusive deutsche Kleinverlag Edition Phantasia dafür, daß wichtige Werke der phantastischen Literatur (von James Graham Ballards SF über Clive Barkers Horror bis zum Gesamtwerk des deutschen Phantasten Paul Scheerbart) in halbwegs schön gemachten Liebhaberausgaben erscheinen. Dieses Frühjahr begannen die beiden Verleger Joachim Körber (Übersetzer von King und anderen Genregrößen) und Uli Kohnle mit einer Taschenbuchreihe, die billigeres Qualitätsmaterial liefern soll.

Als einer der ersten Bände erschien Ray Bradburys Früh-/Spätwerk "From the Dust Returned" in einer deutschen Ausgabe. Der Autor so bekannter Werke wie "Fahrenheit 451" und "Der illustrierte Mann" begann seine Kurzgeschichten um die so skurrile wie liebenswerte Vampire-, Monster- und Gespensterfamilie Elliot (eine Art Vorläufer der Addams Family) bereits 1945 zu schreiben und vollendete sie 2000. Diesen langen Zeitabstand merkt man den zu einem Roman verdichteten Stories leider auch an, da sie trotz schöner Sprachbilder und Reminiszenen an die Kindheit und eine bessere Ära nie wirklich fesseln können. Bestenfalls eine späte Ergänzung zum Werk des großen Mannes.

 

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Fritz Leiber - Der unheilige Gral

(Edition Phantasia)


Ebenfalls als Phantasia-Paperback (diesmal aber nicht in der Unterreihe „Horror“, sondern „Fantasy“) erschien das erste Buch der gesammelten Abenteuer von Fritz Leibers „Sword & Sorcery“-Helden Fafhrd und dem Grauen Mausling, die auf deutsch bisher nur unvollständig und gekürzt erhältlich waren. Sorgfältig editiert und mit Vorworten Leibers ausgestattet, werden hier fast 400 Seiten lang die spannenden, oft witzigen, manchmal aber auch melancholischen und stets literarisch hochwertigen Reisen der beiden Schwertkämpfer über ihre Welt Nehwon und in andere Dimensionen geschildert. Und das ist erst der Anfang, da weitere Bände bereits in Vorbereitung sind. Schade nur, daß das Buch beim Lesen physisch in seine Einzelteile zerfällt - wohl doch keine Liebhaberausgabe.

 

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Dan Simmons - Song of Kali

(Edition Phantasia)


Noch einmal Horror in der Phantasia-Paperback-Reihe, und wieder eine überarbeitete Neuausgabe: Dan Simmons´ Roman um den amerikanischen Schriftsteller Robert Luczak, der im Auftrag einer Literaturzeitschrift nach Kalkutta reist, wo er das letzte Manuskript eines angeblich verstorbenen indischen Dichters in Empfang nehmen soll, befördert ahnungslose Leser immer noch schnurstracks in die reale Hölle der Millionenstadt, wo es vor Slums, Dreck, Ratten, Bettelei und Bosheit nur so wimmelt. Als dann noch ein Kult um die für Zerstörung und Tod zuständige Göttin Kali - mitsamt Attentätern und Zombies - dazukommt, wird die Sache wirklich grausam. (Übrigens will "Pi"-Regisseur Darren Aronofsky den Roman bald verfilmen; wenn Kalis neues Zeitalter so anfängt, dann freuen wir uns.) Ein wirklich unheimliches Buch - das Problem mit diesem und allen anderen bisherigen Werken der Phantasia-Taschenbuchreihe ist nur die Übersetzung Joachim Körbers, die oft holprig und allzu wörtlich wirkt, wodurch man nie wirklich in die Geschichte hineingezogen wird. Ein guter Lektor wäre da kein Fehler.

 

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Gary Disher - Willkür

(Pulp Master/Maas)


Wyatt ist wieder da! Garry Dishers Ganovenheld geht in die vierte Runde. Diesmal will er sich von einer Verbrecherfamilie - den Mesics - zurückholen, was ihm zusteht: satte 300.000 Dollar. Dummerweise hat das australische Syndikat immer noch ein Preisgeld auf seinen Kopf ausgesetzt, was die Vorbereitung des geplanten Coups erheblich kompliziert; dazu kommt, daß sich der ansonsten eiskalte Profi schön langsam Gedanken übers Älterwerden zu machen beginnt. Wie bei jedem Wyatt-Roman gestaltet sich die Lektüre auch hier höchst kurzweilig und sollte ohne Unterbrechung betrieben werden. Guter Stoff!

 

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Kay Kenyon - Maximum Ice

(Bantam Books)


250 Jahre hat es gedauert, bis das Generationenraumschiff "Star Road" zurückkehrte. An Bord leben Zigeuner-Clans, die unseren verkommenen Planeten nach Kriegen, Seuchen und Verfolgungen verlassen haben - auf der Suche nach einer besseren Welt, die leider nirgends zu finden war. Als sie die Erde endlich wiedersehen, stellen sie fest, daß sie von einer eisartigen Substanz überzogen ist, bei der es sich aber in Wahrheit um einen Supercomputer handelt, der sich aus eigener Kraft fast über die gesamte Oberfläche ausgedehnt hat. Die letzten Bewohner hausen in unterirdischen Techno-Enklaven, Klöstern der mysteriösen "Ice Nuns" oder als Nomaden an der lebensfeindlichen Oberfläche. Wie die "Schiffsmutter" zusammen mit einem Erdmädchen - und gegen den Nonnenorden - versucht, den Heimatplaneten wieder bewohnbar zu machen, das ist spannende "humanist SF", zwar frauenorieniert, aber ohne die Emanzenkeule, und mit vielen klugen Ideen.

 

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