Video_Britische 70er-Jahre-Serien II

Heiße Miezen, fremde Welten

Mit ihrem Faible für SF schickten die Andersons schon in den Fifties Marionetten ins All. Später planten sie Serien mit echten Schauspielern - und setzten viel Geld in den Sand.    28.06.2006

Richtig erfolgreich war das, was das Ehepaar Sylvia und Gerry Anderson in den späten 60er Jahren plante und in den Siebzigern auf die Beine stellte, wirklich nicht. Dabei ging es mit dem SF-Genre langsam aufwärts: "The Invaders" ("Invasion von der Wega") war ein mittelprächtiger Quotenhit, und "Star Trek" verkaufte sich nach dem Ende der Erstausstrahlung immer besser. Warum sollte es also nicht auch mit britischen Produktionen klappen?

Der erste Versuch der Andersons nannte sich U.F.O. und scheiterte daran, daß die Episoden nie zum geplanten Zeitpunkt fertig wurden und schon die Erstausstrahlung im britischen TV keine Kontinuität aufwies. Trotzdem fand die Serie, deren erste und einzige Staffel über zweieinhalb Jahre hinweg gedreht wurde, schon damals eine recht stabile Fan-Gemeinde. In Deutschland wurden die 17 vom ZDF übernommenen Episoden übrigens im Wechsel mit "Department S" ausgestrahlt. Wer Menschen beim exzessiven Trinken zuschauen wollte, konnte das somit jede Woche tun, denn die Piloten der "U.F.O."-Abfangjäger vertrugen mindestens soviel wie Mr. Jason King.

 

Dabei tranken sie in einem Ambiente, das noch mehr nach Seventies aussah als die Kulissen anderer Serien jener Zeit. Schon damals wirkte die Serie weniger aufgrund ihrer Science-Fiction-Storys, sondern weil sie sehr trendy war. Und heute ist "U.F.O." immer noch sehr stylish - ein Muß für alle 70s-Retro-Fans. Dabei spielt die Handlung im Jahr 1980 und sollte futuristisch wirken. Doch die Vorstellung einer eigentlich nahen Zukunft hatte etwas sehr Gegenwärtiges, was besonders in der Rückschau deutlich wird: Die Möblierung der Wohnungen steckte voller orangefarbener Kugelsessel und anderer Dinge, die heute begehrte 70er-Jahre-Antiquitäten sind. Man fuhr Porsche 911, MGB oder VW-Porsche. Nur zwei Fahrzeugen hatte man eine extravagante, futuristische Außenhülle gegeben - eines davon fuhr der oberste UFO-Jäger Commander Ed Straker (Ed Bishop).

Straker leitet nach außenhin ein Filmstudio, aber tief unter dessen künstlerischer Fassade befindet sich das Hauptquartier von S.H.A.D.O. (Supreme Headquarters Alien Defense Organisation), einer Organisation, die die Invasion durch eine außerirdische Macht verhindern oder bekämpfen soll. Diese Aliens sind unterwegs, um die Erdbevölkerung zu holen und auszuweiden. Sie schrecken dabei nicht einmal davor zurück, zu Doppelgängern "echter" Menschen zu werden oder sich in Siamkatzen zu verwandeln und so ungestört im Headquarter herumzuspionieren. Dort stehen die für Straker so wichtigen Computerschränke, deren Daten heute wohl nicht einmal einen einzigen iPod füllen würden, und dort laufen auch die Meldungen der beiden Außenstationen ein - einer auf dem Meeresboden und einer auf dem Mond. Auf dem Erdtrabanten stehen die Abfangjäger, die mit den winzigen Ein-Mann-Schiffchen der Außerirdischen wenig Probleme haben, und dort tun auch die Damen Dienst, an die man sich zuerst erinnert, wenn man an "U.F.O." denkt. Ihre Einheitsfrisur besteht aus korrekt geschnittenen, halblangen Haaren. Vorne läuft der Pony spitz zusammen, doch das Bemerkenswerteste ist seine Farbe: Die Damen tragen lila.

Die Zeitreise in die Siebziger ist klanglich (Dolby 2.0, mono) und optisch durchaus in Ordnung, wenn man tatsächlich die über acht DVDs verteilte, von EpiX vertriebene Edition erwischt. Die enthält sämtliche der 26 Episoden, alle erstmals auch in voller Länge. Doch in vielen Läden liegt auch noch eine andere Variante der Serie herum. Die trägt kein EpiX-Logo und bietet weder die vollständige Serie, noch werden die Folgen chronologisch angeboten. Das Schlimmste ist, daß sie technisch deutlich schlechter ist und auch in etwa gleich viel kostet.

 

Technisch kann Mondbasis Alpha 1 ("Space 1999") mit der "U.F.O."-Edition mithalten - auch wenn der Ton manchmal zu leise ist und die Farben an den Rändern öfter verwischen. Die beiden Staffeln (manche Chronisten sprechen auch von drei) sind auf vier Boxsets mit jeweils vier DVDs verteilt. Schon für vorangegangene VHS-Veröffentlichungen wurde die Serie teilweise massiv nachsynchronisiert. Im großen und ganzen hat man sehr ähnliche Stimmen gefunden, auffällig ist es halt leider bei Commander John Koenig. Der Chef der Basis wird von Martin Landau ("Kobra, übernehmen Sie") gespielt und normalerweise von Manfred Schrott gesprochen. Da Schrott auch DeForest Kelley, also "Pille" McCoy von der Enterprise, die Stimme lieh, hat sie sich besonders eingeprägt. An der Seite von Landau agiert eine weitere Bekannte aus "Kobra": Barbara "Cinnamon Carter" Bain ist als Dr. Helena Russell das gute Gewissen der Station. Trotz der US-Serien-Stars und eines für damalige Verhältnisse riesigen Budgets von 300.000 Dollar pro Folge wurde die Serie um eine Erd-Außenstation, die von nuklearem Müll samt Mond in die Tiefen des Alls gesprengt wird, zu einem gigantischen Flop.

Doch aufgeben wollten die Andersons nicht: In der zweiten Staffel erinnern Planeten und auch die Handlung vieler Folgen (etwa die im 14. Jahrhundert spielende Episode "Schottische Geschichte") zu sehr an "Raumschiff Enterprise". Schuld daran ist der nach dem Desaster der ersten Staffel in den Kommandosessel geholte Produzent Fred Freiberger, der auch schon die dritte Season von "Raumschiff Enterprise" verantwortete. Unter seiner Führung wurde "Mondbasis" immer skurriler und psychedelischer, erst recht, als die Formwanderlin Maya (Catherine Schell) auftauchte.

Heute macht aber gerade das Durchgeknallte den Reiz von "Space: 1999" aus. Und deswegen sollte man sich als überzeugter Sammler auch diese Serie ins Regal stellen.

Manfred Prescher

U.F.O.

ØØØØ


EpiX (GB, 1970-71)

DVD Region 2

acht Einzel-DVDs mit drei bzw. vier Episoden zu je zirka 47 Minuten, DD 2.0., deutsch & englisch, Extras

Darsteller: Ed Bishop, George Sewell, Michael Billington u. a.

 

Links:

Mondbasis Alpha 1

ØØØ


EpiX (GB, 1975-77)

DVD Region 2

vier Box-Sets mit vier DVDs, jede Box enthält 12 Episoden zu je knapp 50 Minuten, DD 2.0., deutsch & englisch, Extras

Darsteller: Martin Landau, Barbara Bain, Catherine Schell u. a.

 

Links:

Koteletten, Charme und smarte Typen


Lesen Sie auch den ersten Teil über britische Serien der 70er Jahre im EVOLVER.

 

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