Video_Inside Llewyn Davis

Sturer Eigenbrötler

Ein erfolgloser Folk-Barde hadert im eisigen New York der 60er Jahre mit seinem Schicksal. Die Gebrüder Coen arrangieren mit "Inside Llewyn Davis" eine sympathisch-melancholische Loser-Ballade und treffen dabei auch fernab ihrer boshafteren, lauteren Werke zumeist den richtigen Ton.    27.03.2014

Der Folk-Sänger Llewyn Davis (Oscar Isaac) wandelt neuerdings auf Solopfaden. Eigentlich strauchelt er mehr, denn sein Debüt "Inside Llewyn Davis" verkommt zum Ladenhüter - und dem jungen Musiker mangelt es an Unterstützung, um das Werk zu vermarkten. Darüber hinaus fehlt es dem Solisten ganz allgemein am Nötigsten. Ohne festen Wohnsitz und adäquate Kleidung gegen den unbarmherzigen New Yorker Winter, vor allem aber ohne eine Lebensperspektive, die ihm einen Ausweg aus seiner im übertragenen wie auch buchstäblichen Sinne festgefrorenen Existenz eröffnen könnte, lebt Llewyn unentschlossen in den Tag hinein. Praktisch mittellos, findet er zeitweilig Unterschlupf bei Freunden und performt sporadisch im schummrigen Gaslight Cafe. Llewyns Richtungslosigkeit stößt nicht nur seine genervte Schwester Joy (Jeanine Serralles) vor den Kopf, sondern auch Jean (Carey Mulligan), deren ungeborenes Kind möglicherweise von ihm stammt. Allseits unverstanden, begibt er sich auf den Weg nach Chicago, um dort sein Album dem einflußreichen Produzenten Bud Grossman (F. Murray Abraham) zu präsentieren.

 

Der eigentümliche Charme des mürrischen Verlierertypen Llewyn Davis liegt in seiner stur gelebten Passivität. Als Coen-Antiheld der maulfaulen Fraktion wird der Einzelgänger in einer der zurückgenommeneren Inszenierungen des Brüdergespanns stimmig eingerahmt. Auch hier nimmt natürlich das Unglück seinen Lauf, wenngleich Llewyns Mißgeschicke und Katastrophen ihn eher beiläufig ereilen: Die von den befreundeten Gorfeins unfreiwillig entliehene Katze sorgt für allerlei Verwirrung; seitens der stets tadelnden Schwester Joy ist kaum Hilfe zu erwarten; Musikerkollegin Jean ist keineswegs darüber erfreut, daß sie wahrscheinlich von Llewyn schwanger ist. Und auf allem liegt der erdrückende Schatten einer zunächst nicht näher formulierten Tragödie, die Llewyns Abstieg als Mensch und Musikant begründet.

Ähnlich wie der schreibblockierte Autor Barton Fink und der chronisch untätige Barbier Ed Crane ("The Man Who Wasn´t There") vor ihm ist auch Herr Davis nicht gerade als dynamisch-strahlender Held konzipiert worden. Sein von kleinen und größeren Rückschlägen gesäumter Weg durch die winterlichen Straßen von Greenwich Village ist daher auch alles andere als eine ergreifende Cinderella-Story. Dafür sorgen nicht zuletzt die typischen coenschen Skurrilitäten, die das Brüderpaar gelegentlich dann doch einstreut.

Oscar Isaac - als Hauptdarsteller ein bislang eher unbeschriebenes Blatt - mimt seinen angeknacksten Außenseiter nicht nur wunderbar trotzig, sondern singt sich auch leibhaftig und dabei gar nicht ungeschickt durch die musikalischen Parts. Zwar nur in einer Passage des Films zugegen, jedoch auf jeden Fall eine Erwähnung wert ist Coen-Recke John Goodman als abgehalfterter Jazzmusiker. Goodman - zuletzt vor allem in diversen Prestigeproduktionen anzutreffen ("The Artist", "ParaNorman", "Argo", "Flight") - ist gewiß der absonderlichste und bösartigste komödiantische Anker, der in "Inside Llewyn Davis" eingeschlagen wurde. Dessen ungeachtet forcieren die Coens eher eine dezente Schrägheit und schildern den zähen Kampf des Antihelden mit der Ungerechtigkeit der Welt - und sich selbst - auf wunderbar lakonische Art und Weise.

 

Dietmar Wohlfart

Inside Llewyn Davis

ØØØ 1/2

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StudioCanal (USA 2013)

DVD Region 2
101 Min. + Zusatzmaterial dt. Fassung oder engl. OF

Features: Making of

Regie: Ethan Coen, Joel Coen

Darsteller: Oscar Isaac, Carey Mulligan, John Goodman u. a.

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