Video_Universal Soldier: Day of Reckoning

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Was vor 20 Jahren als Hollywood-Vorstellung des schwäbischen Regisseurs Roland Emmerich seinen Anfang fand, ist seither zur DTV-Action-Reihe verkommen. Mit "Day of Reckoning" lotet John Hyams nun die Grenzen des "Universal Soldier"-Universums neu aus, wenn der Film seinen Helden auf eine Fiebertraumreise den Fluß hinauf schickt.    07.01.2013

Die Immersion beginnt sofort. "Daddy, Daddy", schallt es aus der Ferne, und Protagonist John (Scott Adkins) wird aus dem Schlaf geweckt. In der Ego-Perspektive durchlebt nun das Publikum jenen Alptraum, der den aus seinen Träumen gerissenen John einzuholen droht. Seine Tochter will Monster gesehen haben, weswegen "Daddy" nachsehen muß. Und tatsächlich, in der Küche warten sie dann, die Monster.

Maskierte Männer prügeln auf John und letztlich auch den Zuschauer ein, lassen ihn als blutiges Elend auf dem Wohnzimmerboden zurück, während seine Frau und Tochter hereingeholt werden. Es folgt der Auftritt eines glatzköpfigen Fremden (Jean-Claude Van Damme), den ein FBI-Beamter später als "Luc Deveraux" identifizieren wird. Ohne Gnade wird Johns Familie hingerichtet, ehe ein schwarzer Schleier ihn ins Koma driften läßt.

 

Neun Monate danach wacht John wieder auf, emotional leer bis auf jene Erinnerung an den Mord seiner Familie. Während er sich aufmacht, um nun herauszufinden, warum Deveraux seine Familie ermordet hat und wo er sich aufhält, schickt die Regierung selbst in Klempner Magnus (Andrei Arlovski) einen Universal Soldier auf die Jagd nach Deveraux und seine Männer rund um Andrew Scott (Dolph Lundgren). Sowohl für John als auch für Magnus hält die Suche einige Überraschungen bereit.

Mit dem Beititel "Universal Soldier IV" versehen, richtet sich "Day of Reckoning" zuvorderst, wenn nicht gar ausschließlich an Fans der Action-Reihe. Denn was Unisols sind, wird gar nicht erst erklärt, sondern schlichtweg vorausgesetzt. Ebenso wie die Geschichte der Originalfiguren von Deveraux und Scott, deren Persönlichkeiten sich im Vergleich zu Emmerichs Film von 1992 stark verändert haben.

 Der einst als selbstloser Held eingeführte Deveraux verkommt bei John Hyams nämlich zum kaltblütigen Mörder von Frauen und Kindern. Mittels Injektion befreit er zahlreiche Unisols von ihrer Hörigkeit gegenüber der Regierung und führt sie in einer Art Sekte an. Ziel und Zweck ist die geistige Freiheit aller "Brüder" - was vermutlich auch erklärt, wieso Deveraux und Scott inzwischen zusammenarbeiten.

 

Für Emotionen ist jedoch kein Platz in "Day of Reckoning", höchstens in Johns Erinnerung. Nach und nach folgt er den letzten Schritten vor seinem Koma und stößt dabei nur auf mehr und mehr Gewalt. Diese begleitet wiederum auch Magnus, der nach einer bleihaltigen Visite in einem Freudenhaus nunmehr hinter John statt Deveraux her ist. Dieser Konflikt zeichnet den zweiten Akt des Films aus und gerät zum Kampf der Extreme.

Bisweilen hat das Gezeigte sogar mehr etwas von "Terminator" denn von "Universal Soldier", wobei Hyams ohnehin die Grenzen der Originalreihe verblassen läßt und seinen Stoff mit anderen namhaften Filmbeiträgen vermischt. Ein bißchen "Apocalypse Now" hier, ein Hauch von "The Matrix" da - somit ist "Day of Reckoning" selbst eine Art filmischer Unisol, lebendes Material aus alten Überresten.

Eine ziemlich unspannende Autoverfolgungsjagd später findet der Film dann in einem Sportgeschäft im Nirgendwo seinen nächsten Höhepunkt, wenn Arlovski und Adkins ihren Zwist eine Runde weitertragen. Hier zeigt sich brachiale Gewalt auf Film gebannt, exzellent durchchoreographiert und dabei härter und unnachgiebiger als heuer selbst in "The Expendables 2" gesehen.

 

An dieser Stelle darf man sogleich auch "The Muscles of Brussels" applaudieren - dafür, daß der Belgier auch mit mehr als 50 Jahren noch Action-Filme der alten Schule macht. Sicher, Van Damme ist nie derart durchgestartet wie Schwarzenegger oder Stallone; allerdings zählte er ohnehin mehr zu jener Riege von Action-Schauspielern, die von ihrer Kampfkunst denn von ihrer Leinwandpräsenz zehrten.

Und auch wenn sich JCVD aus gesundheitlichen Gründen (die Hüfte leidet unter all den Roundhouse-Kicks) immer mehr zurücknimmt und Adkins hier sein volles, eindrucksvolles Potential zeigen darf, ist es dennoch Van Damme, der wie Luc Deveraux selbst den Film überschattet. Zwar fühlt sich dessen Stilisierung zu einem Unisol-Colonel-Kurtz inklusive Gesichtsbemalung etwas befremdlich an, allerdings wird hier auch nicht die Geschichte von Deveraux erzählt, sondern die von John.

"Day of Reckoning" ist womöglich eine Spur zu lang geraten, speziell der Mittelteil ist etwas zäh, doch Anfang und Ende belohnen den Zuseher für seine Aufmerksamkeit mit ein paar gefälligen visuellen Ideen sowie zahlreichen Kampfszenen mit ordentlich Bumms. Hyams ist mit seinem zweiten Beitrag innerhalb der Reihe somit nicht nur ein respektabler "Universal Soldier"-Vertreter gelungen, sondern womöglich der beste Actionfilm des Jahres.

 

Bild und Ton der Blu-ray von Planet Media können in Schärfe sowie in Verständlichkeit überzeugen. Bei den Extras wäre ein Featurette über die Choreographie der Kampfszenen sicher spannend gewesen; so fallen sie mit Interviews und Bildergalerien etwas mager aus. Veröffentlicht wird "Universal Soldier: Day of Reckoning" sowohl in einer Uncut-Version mit einem "Spio/JK"-Gutachten als auch in einer um vier Minuten geschnittenen FSK18-Fassung. Dieser Rezension liegt die ungeschnittene Originalversion des Films zugrunde.

Florian Lieb

Universal Soldier: Day of Reckoning

ØØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2012

Planet Media

 

Blu-ray Region B

 

114 Min. + Zusatzmaterial, dt. Fassung oder engl. OF

Features: Interviews, Bilder vom Set, Trailer

 

Regisseur: John Hyams

Darsteller: Scott Adkins, Jean-Claude Van Damme, Dolph Lundgren u. a.

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