Platten_Paradise Lost - Paradise Lost

Back To The Roots?

Nach langer Abstinenz wollen die geistigen Väter des Gothic-Metal ihren verwaisten Thron wieder für sich beanspruchen. Aber bitte sehr!    13.03.2005

Als Paradise Lost anno 1991 auf ihrer Scheibe "Gothic" mit der geschichtlich erstmaligem Kombination von Death-Gegrunze und weiblichen Vocals aufwarteten, war ein neues Genre geboren, das im Laufe der Zeit viele Nachahmer und Anhänger fand. Dementsprechend groß war die Entrüstung unter den Fans der ersten Stunde, als die Pioniere plötzlich alles über Bord warfen und 1997 mit "One Second" einen (zugegeben gelungenen) Ausflug ins Wave-Genre unternahmen, der auch die folgenden zwei Alben gehörig prägen sollte. Erst mit dem von Elektro-Guru Rhys Fulber produzierten "Symbol Of Life" kam vor zwei Jahren die Rückbesinnung auf düsterere Melodien und laute Gitarren, nur fielen die Songs bestenfalls durchschnittlich aus.

Und jetzt? Paradise Lost feiern das Jubiläum des zehntes Albums, das man, damit es auch für Außenstehende irgendwie bemerkbar ist, schlicht "Paradise Lost" betitelte.

Nach den Meldungen im Vorfeld der Veröffentlichung, wonach sich die Engländer wieder auf alte Tugenden besinnen und den Härtegrad höher schrauben wollten, machte sich wohl so mancher Hoffnungen, wenn schon kein "Lost Paradise", dann zumindest ein moderneres "Icon" zu bekommen.

Doch der Kreis zwischen dem ersten und dem aktuellen Album will sich nicht schließen. Auch wenn Nick Holmes´ Stimme wieder mehr mit James Hetfield gemein hat als mit Dave Gahan und die Gitarren tatsächlich dröhnend im Vordergrund stehen, durch die glatte Produktion von Rhys Fulber kommen die neuen Songs nie an die rohe Power heran, die seinerzeit auf "Icon" mit schlichten abgedämpften Anschlägen erzeugt wurde.

 

Daß Paradise Lost sowohl auf die Erfahrungen aus 15 Jahren Bandgeschichte als auch die von den letzten Alben verzichten würden, war ohnehin nicht zu erwarten. So kann man die aktuelle Scheibe mit ein bißchen gutem Willen als Missing Link zwischen

"Draconian Times" und "One Second" bezeichnen.

Fakt bleibt, daß sich unabhängig von der musikalischen Ausrichtung ein paar Hammersongs auf der Platte befinden. Da wäre der atmosphärische Opener "Don´t Belong", der den Hörer langsam auf das Album einstimmt. Es folgt das deftige "Close Your Eyes", wo erstmals die angekündigte Härte zum Einsatz kommt und mit Track Nummer drei "Grey" erreicht das Album schließlich seinen Höhepunkt. Die Nummern "Redshift", "All You Leave Behind", "Accept The Pain" und"Shine" sind ebenfalls recht ordentlich geworden, lediglich die Single-Auskopplung "Forever After" weiß nicht zu überzeugen.

Fazit: Selbst wenn das Material an sich nicht schlecht ist, schleicht sich doch aufgrund der sehr ähnlichen Stilmittel und Songstrukturen Eintönigkeit ein. Gerade das Songwriting, in früheren Jahren eine Stärke der Engländer, scheint zu einem Wieder(- und wieder- und wieder-)verwerten von eigenen Blaupausen verkommen zu sein. Nichtsdestotrotz ist "Paradise Lost" ein Schritt in die richtige Richtung. Man darf also gespannt sein, was herauskommt, wenn sich zu den wiedergefundenen Stärken eines Tages genug Selbstbewußtsein und Songwriting-Routine dazugesellen.

Michael Widholm

Paradise Lost - Paradise Lost

ØØØ


GUN/SonyBMG

(GB/28. 2. 2005)

 

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