Platten_Punk´n´Alternative-Mix

Knochenbrecher und singende Kobolde

Die Hunns, The Bones, The Icarus Line, Pixies, Delays... Wir präsentieren brachialen, aber auch etwas kultivierteren Gitarrenlärm für den Indie-Rocker von Welt.    19.06.2004

 

ECORDER-Team

Die Hunns - Long Legs

ØØ


I Used to Fuck People Like You in Prison Records/edel

(USA/19. 4. 2004)

 

Wenn Nashville Pussy und Punk-Amazone Corey Parks im "Long Legs"-Opener singt: "I don´t care what other say", so beruhigt das wohl viele. Schließlich müßten der Dame dann auch die negativen Reaktionen auf das neue Punk-Werk herzlich egal sein...

Eine erschreckende Ideenlosigkeit scheint Mastermind Duane Peters bereits während der letzten US-Bombs-Platten befallen zu haben. Das wirkt sich leider ebenso auf sein Nebenprojekt Die Hunns aus, auch wenn er Corey nicht nur zur Lebensgefährtin, sondern auch zum Band-Mitglied gemacht hat. Doch die vermeintliche Muse ist leider keine - und was der gute Peters zusammenbringt, ist nur mehr ein punkiges Dahinklöppeln ohne Höhen und Tiefen.

Zu allem Überfluß sind die "Long Legs" in einer Produktion verpackt, die an typischen Hinterhof-Club-Sound erinnert. Selbst die nette Neuerung, daß sich das Liebespaar die Gesangs-Parts teilt, macht die "Long Legs" nicht sexier. Leider.

(MK)

 

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Bones - Straight Flush Ghetto

ØØØØ 1/2


I Used to Fuck People Like You in Prison Records/edel

(Schweden/19. 4. 2004)

 

Die schwedischen Punkrocker The Bones legen mit ihrem dritten Album die Karten offen auf den Tisch: "Straight Flush Ghetto" heißt ihr neues Werk und ist ein kleines Meisterstück geworden. Die treibende Kraft und der Groove des Rock´n´Roll sind perfekt mit der punkigen Rotzigkeit verbunden. Obwohl die Jungs nicht vom musikalischen Gas steigen, entfalten die Tracks schon beim ersten Hördurchgang ihre Ohrwurmqualitäten. Die Platte hat das gewisse Etwas, das einen anspricht und festhält.

Textlich geht es den Bones um Sex, Saufen und Rock´n´Roll. Ums Mitgrölen und Pogen und schlicht und einfach die Sau rauslassen. In etwa so wie Social Distortion ... aber besser. Mehr noch klingen sie immer wieder mal nach Therapy?, die gerne eine Ramones-Platte aufnehmen wollen.

Mit diesem guten Blatt haben die Bones die Partie jedenfalls haushoch gewonnen. Und nur das zählt.

(MK)

 

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The Icarus Line - Penance Soiree

ØØØ


V2 Records/Rough Trade/edel

(USA/26. 4. 2004)

 

Alan Moulder, der Mann, der schon bei Alternativ-Pionieren wie Jesus & Mary Chain, Smashing Pumpkins und den Nine Inch Nails für den richtigen Dreh sorgte, nahm sich nun der zweiten Platte des kalifornischen Rotz-Quartetts The Icarus Line an.

Doch im Falle von "Penance Soiree" heißt das Prinzip Direktheit, und die Route führt von Ach nach Krach. Das Album klingt nämlich auch bei Zimmerlautstärke derart übersteuert, daß man die Marshalls beinahe explodieren sieht.

The Icarus Line selbst sind nicht nur saufrech, sondern haben neben aufgeblähtem Selbstbewußtsein (was PR-technisch ja nicht ungünstig ist) auch ein unerhört komplettes musikalisches Handwerkszeug zu bieten. Dazu kommt noch der begabte Sänger mit seinem preisverdächtigen Namen: Joe Cardamone heißt der gute Mann, der hier singt, brüllt und spuckt, je nach Anlaß.

Musikalische Schubladen tun sich viele auf, dennoch steuern The Icarus Line mit ihrem kernig-brachialen Sound eine interessante Route an. Manchmal wähnt man fast schon die Stones im Player, bis den armen Hörer die nächste Punkrock-Noise-Welle überspült. Einige schwächere Songs können aber trotz des ehrfurchtgebietenden Krachs nicht über das Fragezeichen hinwegtäuschen, das da anstelle eines Hooks im Äther schwebt.

(DM)

 

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Pixies - Wave of Mutilation/Best Of Pixies

ØØØØØ


4 AD/Beggars/edel

(USA/4. 5. 2004)

 

Sie haben die Musikwelt nachhaltig verändert. Ohne die Pixies hätte die Alternativszene keinen Indie-Rock, und Nirvanas Kurt hätte niemals "Smells Like Teen Spirit" geschrieben.

Nach zwölf Jahren sind sie wieder da und haben eine Auswahl aus ihren vier Longplayern "Surfer Rosa", "Doolittle", "Bossanova" und "Trompe Le Monde" sowie der posthumen "Complete B-Sides"-Compilation auf eine Best-of-CD gepreßt. Schließlich braucht man für eine Reunion-Tour ja ein Tondokument...

"Wave of Mutilation/Best Of Pixies" ist nicht mehr und nicht weniger als der Beweis für die Genialität einer der besten Bands der Welt. Wer also noch immer nicht weiß, wie gut der ungestüme Rock mit den Tempowechseln und den sägenden Gitarrenriffs der Pixies ist, der muß jetzt einfach zugreifen.

(MK)

 

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Delays - Faded Seaside Glamour

ØØØØ


Rough Trade/edel

(GB/17. 5. 2004)

 

Southampton, am Südzipfel Englands liegend, hat sie beide hervorgebracht: ein Quartett namens Delays und einen Albumtitel, wie er passender – und englischer - nicht sein könnte.

Man traut seinen Ohren kaum, wenn man vernimmt, was da aus den Lautsprechern flötet: Steel-Drums, Gitarren satt, Pop-Harmonien. It´s flashback time again. Und diese Stimme! Rasch das Album-Cover zur Hand und nachprüfen: Nein, es sind nicht die Cocteau Twins, und diese Stimme gehört nicht Liz Fraser - sondern Aaron Gilbert, einem Mann. Wunderbar! In Zeiten von The Rasmus dürfen Herren wieder in Fledermaus-Tonlagen singen. Ja, sie dürfen sogar winseln (siehe unter Kurt Wagner/Lambchop). Mr. Gilbert verstärkt mit seinem Falsett das Gefühl der Zeitreise nur noch stärker. Der Indie-Pop ist zurück!

Nach einer netten zweiten Nummer kommt dann mit "Long Time Coming" ein wahrhafter Kracher aus den Lautsprechern: Westküstenharmonien, elektronische Walgeräusche und ein Gitarren-Sound, dem man kaum widerstehen kann. Und will. Die Delays haben auch bei den Byrds, Mansun und Geneva gut zugehört und ihre Erkenntnisse auf "Faded Seaside Glamour" verarbeitet.

Für die ersten 20 Sekunden des Tracks "Hey Girl" gibt es eine Extraerwähnung. Ein trockenes Gitarren-Riff führt den Hörer gewitzt in die Irre, dann setzen die restlichen Instrumente ein - und erst jetzt erkennt man den Rhythmus. Das gelang seit Primal-Scream-Zeiten selten jemandem so gut.

So, Sommer, spätestens jetzt gibt es keinen Grund mehr für dich, so lange auf dich warten zu lassen! Kaufen!

(DM)

 

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