Editorial_27. 9. 2005

Heimat, bist du großer Kinder

Es raucht wieder einmal im Kallatschen Oberstübchen. Zu intensives Anhören ihrer Hymnensammlung brachte die österreichische Frauenministerin auf seltsame Ideen.    27.09.2005

Liebe EVOLVER-Leser und -innenInnen!

 

Wir sehen sie richtig vor uns, diese armen Frauen, oft Bürgermeistersgattinnen oder Fußballfunktionärinnen, die beim regelmäßigen Absingen der Bundeshymne resigniert eine Träne im Augenwinkel zerdrücken. "Also, sowas", denkt es empört in ihnen, "da komme ich ja gar nicht vor in dem Lied. Ich als Hausfrau, alleinerziehende Mutter und Berufstätige werde völlig ignoriert. Wie gemein. Ich glaub´, ich hau´ den Hut drauf und warte, bis sie zum neuen Geld 'die Euro' sagen."

Ein trauriges Schicksal, fürwahr. Doch auch diesen Montag durfte sich ganz Österreich wieder darüber freuen, daß sich eine Politikerin übers Wochenende was Kluges ausgedacht hat. Es handelt sich um die notorische Frauenministerin Rauch-Kallat von der ÖVP, die während einer Mußestunde die Idee kreißte, den Text der österreichischen Bundeshymne zu ändern. Auf frauenfreundlicher. Weil man ist ja nicht deppert.

Vielleicht aber doch. Denn wo es bisher "Heimat bist du großer Söhne" heißt, soll in Zukunft die unglaublich idiotische Textzeile "Heimat großer Töchter, Söhne" gesanglich vorgetragen werden. Der Vergleich macht Sie sicher: Die alte Version ist gutes Deutsch und stimmt rhythmisch, die neue Version liest sich genauso hatschert, wie sie klingt und wurde möglicherweise von einem Wiener Hauptschülerkollektiv erdacht, das die deutsche Sprache nur mehr als lästiges Minderheitenprogramm wahrnimmt. Außerdem - was sind "Töchtersöhne"? Hat das vielleicht etwas mit dieser widerlichen Transgender-Forschung zu tun? Wir wollen´s gar nicht zu genau wissen.

Es geht ohnehin noch weiter mit Rauchs Knallfroschidee. Statt "Einig laß in Brüderchören, Vaterland Dir Treue schwören" fordert das Frauenministerium eine Hymnenregelung auf "Einig laß in freud´gen Chören, Heimatland Dir Treue schwören". Pfui gack! Brüder und Väter sind also auch schon verboten. Wahrscheinlich wegen der auf dem gesamten Erdkreis grassierenden Pädophilie, die Frauen von Kindesbeinen an zu Opfern des vergewaltigenden Patriarchats macht - und dazu führt, daß irgendwelche Krampflesben und Was-bleibt-mir-über-Emanzen in Ministerien und öffentlich subventionierten Kulturschändungsstellen sich um Steuergelder derartigen Blödsinn ausdenken dürfen.

Sicher, sowas könnte einem eigentlich egal sein. Kein vernünftiger Mensch singt die Bundeshymne, schon gar nicht im Alltag; zum guten Ton zählt sie nur bei Autobahnteilabschnittseröffnungen und Sportveranstaltungen. Und dort geht man sowieso nicht hin. Trotzdem: In die Kirche verirrt man sich normalerweise auch nicht - und wenn einen das Schicksal dennoch dorthin treibt, muß man hören, daß aus "Gebenedeit bist du unter den Weibern" irgendwann ein "Gebenedeit bist du unter den Frauen" geworden ist. Wo sind sie nur hin, die Weiber?! Demnächst wird der Papst wohl auch noch das "gebenedeit" auf "betroffen" ändern, damit es das gemeine Volk auch versteht ...

Die Sprach- und Gedankenpolizei verfolgt einen sogar bis in die Straßenbahn. Lautete eine beliebte Durchsage der Wiener Verkehrsbetriebe (heute "Wiener Linien", wegen der vielen Koksdealer) einst "Bitte überlassen Sie älteren und gebrechlichen Personen die Sitzplätze" - worüber sich ältere und gebrechliche Personen sehr freuten -, so heißt es heute politisch einwandfrei und sprachlich verkorkst: "Bitte überlassen Sie die Sitzplätze Personen, die sie notwendig brauchen." Und ein kurzer Blick in die Runde genügt, um feststellen zu können, daß Sie niemanden im Waggon notwendig brauchen. Bleiben Sie also ruhig sitzen, vermeiden Sie öffentliche Botschaften und Hymnen, freuen Sie sich auf Ihr Zuhause - und darauf, dortselbst den EVOLVER lesen zu können. Weil wir bei diesem Unfug nicht mitspielen.

 

In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen unserer Reviews und Storys aus allen Bereichen der Popkultur

 

wünscht

 

Peter Hiess

(EVOLVER-Herausgeber und -Isolationspolitiker)

 

Peter Hiess

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