Kino_Eureka

Schockbehandlung

Traumatisierte Westmenschen können sich auf ein langweiliges Opferleben zwischen Therapie und aufdringlichen Gutmenschen gefaßt machen. In Japan steigt man einfach in den Bus - und hat dort sein Aha-Erlebnis.    05.09.2002

Ein japanischer Linienbus wird entführt. So fängt alles an. Und die Geschichte geht so blutig aus, daß die Überlebenden - zwei Geschwister und der Busfahrer Makoto - schwer traumatisiert sind und die Ereignisse lange Zeit einfach nicht verkraften können. Dann vergehen zwei Jahre, und Makoto wird des Mordes an einer jungen Frau verdächtigt. Er trifft zufällig die Geschwister wieder, die mittlerweile in Begleitung ihres Cousins sind, kauft selbst einen Bus und macht sich mit dem Trio auf eine Reise ohne festes Ziel.
Die mysteriöse Mordserie setzt sich danach zwar fort, doch Regisseur Shinji Aoyama verfällt nicht der Versuchung, aus "Eureka" einen der typisch japanischen (Grusel-)Thriller zu machen. Dankenswerterweise hält er sich auch von abgeschmackten Roadmovie-Klischees fern (obwohl die japanische Variante dieses Genres eh mehr zu bieten hat als die Hollywoods). Stattdessen erzählt er in getragenen 217 Schwarzweißminuten vom Versuch der drei "Gewaltopfer", den Weg in ein neues Leben zu finden - und das in aller Stille und in melancholisch-schönen Bildern. Das mag sich jetzt zwar alles sehr cineastisch lesen, ist jedoch weit von der selbstzufriedenen Nabelschau europäischer "auteurs" entfernt. Nichts für heitere Abende, aber guter Stoff zum Hinschauen und Nachdenken.

Peter Hiess

Eureka

ØØØØ


Japan 2000

217 Min.

jap. OF mit UT
Regie: Shinji Aoyama
Darsteller: Yakusho Koji, Miyazaki Aoi, Miyazaki Masaru u. a. 

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