Kino_Knives out

Messerscharf

Eine Villa, eine Party, ein Mord - das klingt nach Cluedo, ist aber wunderbares Kino. In "Knives Out" ermittelt Daniel Craig (James Bond) als Privatdetektiv in der amerikanischen Oberschicht und deckt düstere Geheimnisse auf.    10.02.2020

Eine schwarze Leinwand. Dann: donnernde Klaviermusik, ein einsames Herrenhaus, kläffende Hunde ... und eine Familie mit unzähligen Geheimnissen. So herrlich nostalgisch beginnt "Knives Out”, der starbesetzte Krimi von Regisseur Rian Johnson ("Die letzten Jedi"). Die Szene könnte aus einem Margaret-Rutherford-Streifen stammen. Erst ein paar Szenen später merkt der Zuschauer: Wir sind gar nicht im England des 20., sondern in den Vereinigten Staaten des 21. Jahrhunderts.

 

Benoit Blanc ermittelt

 

Im Herrenhaus der Familie Thrombey wird eine Leiche gefunden. Das Familienoberhaupt, Harlan (Christopher Plummer), hatte am Vortag noch seinen 85. Geburtstag gefeiert, am nächsten Morgen entdeckt ihn die Haushälterin mit aufgeschlitzter Kehle. Ein Selbstmord? Der Privatermittler Benoit Blanc (Daniel Craig) ist anderer Meinung. Er merkt schnell: Mit dem Familienidyll, das ihm die Thrombeys in den Verhören vorspielen, ist es nicht weit her. Tatsächlich hegte jeder der Partygäste einen Groll gegen den alten Patriarchen. Sie alle hatten ein Motiv für den Mord, und es liegt an ihm, den wahren Täter zu überführen.

Doch das schafft der Gentleman-Detektiv nicht ohne Hilfe. Er macht deshalb Harlans liebenswürdige Pflegerin Marta (Ana de Armas) zu seiner Assistentin. Sie war eng mit dem Mordopfer befreundet - und auch die übrigen Angehörigen werden nicht müde zu betonen, daß das Mädchen aus Paraguay "praktisch zur Familie" gehört. Oder war sie doch aus Ecuador? Oder Brasilien? So gut kennt sie dann doch keiner.  

Blanc sieht in Marta zunächst ein Mittel zum Zweck. Die Pflegerin leidet an einer seltenen Krankheit: Wenn sie lügt, muß sie sich übergeben. Wie praktisch für den Detektiv! Das heißt aber nicht, daß nicht auch Marta Geheimnisse verbirgt. Auch sie ist in den Mord verwickelt und nutzt Blancs Vertrauen, um die Ermittlungen für ihre Zwecke zu sabotieren.

 

 

Hommage an Agatha Christie

 

Hat Harlans Sohn Walt (Michael Shannon) seinen Vater ermordet, weil dieser ihn aus dem Verlagsgeschäft gedrängt hat? Oder war es der untreue Schwiegersohn Richard (Don Johnson), der um seine Ehe bangt? Oder doch der rebellische Enkel (Chris Evans), der eigentlich eine zentrale Rolle im Film spielt, während die ganze Welt nur über seinen Strickpullover redet?

Das Schöne ist: Man weiß es nicht! Die Handlung ist so herrlich verstrickt, daß der Zuschauer ständig miträtselt, ehe er seine Theorien angesichts des nächsten verwirrenden Details wieder über den Haufen werfen muß. 

Krimifans dürften einige Elemente der Story wiedererkennen: die Upperclass-Familie, die nach außenhin perfekt wirkt, sich aber untereinander an die Gurgel geht; die pompöse Villa als Schauplatz eines Verbrechens; und schließlich der private Schnüffler mit guten Manieren, Anzug und französischem Namen. Das alles trägt die Handschrift der Lady of Crime, Agatha Christie. "Knives Out" ist eine gelungene Hommage an die Werke der britischen Schriftstellerin, die in den 1920er Jahren berühmte Figuren wie Hercule Poirot und Miss Marple erfunden hat. 

 

Mehr als ein Krimi

 

Mit "Knives Out” beweist Regisseur Rian Johnson, daß ein klassischer Whodunit-Krimi auch im 21. Jahrhundert noch die Menschen fesseln kann. Dazu muß man die Handlung nicht mit unzähligen Actionszenen aufblasen (wie in Guy Ritchies "Sherlock Holmes") oder mit teuren CGI-Tricksereien überlagern ("Mord im Orient-Express"). Ein guter Plot genügt.

Dabei ist der Film aber nie altmodisch oder trocken, sondern spannend und ab und zu auch lustig. Es gibt Verfolgungsjagden, eine ulkige Urgroßmutter, die stumm im Anwesen umhergeistert, und philosophische Betrachtungen über Doughnuts. Diese kuriose Mischung würzt Regisseur Rian Johnson noch mit einer Prise Gesellschaftskritik. Die Thrombeys sind ja so gutmütig und selbstlos ... bis es um ihren Anteil des Erbes geht. Dazu gibt es löffelweise Nostalgie - gelegentlich wähnt man sich schon im England der 1920er Jahre, und dann klingelt plötzlich irgendwo ein Handy, der jüngste Familiensproß outet sich als Nazi, oder die Familienmitglieder streiten sich über Immigrationspolitik in Zeiten von Donald Trump.

Das Ergebnis ist ein abwechslungsreicher Krimi, den sich Fans des Genres nicht entgehen lassen sollten. Die Handlung von "Knives Out" ist mitreißend geschrieben, die Aufnahmen sind eindrucksvoll, und gerade Nachwuchstalent Ana de Armas ("Blade Runner 2049") geht in ihrer Rolle auf. Das einzige, was an diesem Film aufgesetzt wirkt, ist Daniel Craigs Südstaatenakzent. Er ist und bleibt nun einmal Brite.

Katharina Schmidt

Knives Out

ØØØØ

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USA 2019

132 Min.

Regie: Rian Johnson

Mit: Daniel Craig, Ana de Armas, Chris Evans, Jamie Lee Curtis, Don Johnson u. a.

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