Kino_Das Bourne Vermächtnis / Interview Jeremy Renner

Der zweite Mann

Plötzlich A-List: Spätestens seit seinen Auftritten im "Avengers"-Film und im vierten "Mission: Impossible"-Teil gilt Jeremy Renner als Hollywoods kommender Superstar, auch wenn er darin eher nur in der zweiten Reihe stand. Im aktuellen "Bourne"-Sidequel spielt er nun auch erstmals in einem Blockbuster die Hauptrolle - zumindest so lange, bis Matt Damon wieder zurückkehrt. Der EVOLVER hat den 41jährigen zum Interview getroffen.    19.09.2012

EVOLVER: Bei der Menge an Substanzen, die sich Ihre Filmfigur Aaron Cross in "Das Bourne Vermächtnis" zur Leistungssteigerung reinschmeißt, muß man sich fast schon fragen, ob man es hier mit einem Superagenten oder doch schon mit einem Junkie zu tun hat.

Renner (lacht): Ich habe Aaron eigentlich nie als Junkie betrachtet, sondern eher als Typen, der einfach zu überleben versucht - eben mit all seinen Schwächen. Der emotional noise im Hintergrund ist dabei das Interessanteste an ihm. Sonst wär er ja so etwas wie der Terminator.

 

EVOLVER: Haben Ihnen Ihre Martial-arts-Kenntnisse dabei geholfen, sich die Figur anzueignen?

Renner: Klar, die haben natürlich geholfen. Ich habe in den letzten paar Jahren ja auch schon einige Kampfsportdisziplinen für diverse Filme gelernt. Alles, womit man sich für Filme vorbereitet, beeinflußt einen - ob nun auf gute oder schlechte Weise. Es ist nun aber natürlich nur ein Aspekt, ein Kämpfer zu sein, aber ein ganz anderer, ein denkender Kämpfer wie eben Aaron Cross zu sein. Die Herausforderung lag also darin, die Choreographien mit Emotionen zu verbinden.

 

EVOLVER: Sehen Sie sich eigentlich als Action-Helden?

Renner: Nein, ganz und gar nicht. Das ist einfach so passiert. Nachdem ich aber für "The Avengers", "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" und "Hänsel und Gretel: Hexenjäger" bereits trainiert hatte, war es natürlich irgendwie aufgelegt, gleich nachher eine ähnlich körperlich anspruchsvolle Rolle wie eben jene in "Das Bourne Vermächtnis" zu übernehmen. Ohne das vorherige Training wäre das schwieriger gewesen. Daß ich zu all diesen Rollen gekommen bin, war natürlich auch eine Abfolge von Glücksfällen.

 

EVOLVER: Würden Sie eigentlich irgendein Genre nicht spielen? Horror? Romantic Comedy?

Renner: Nun, "28 Weeks Later" war ja zumindest schon so etwas wie ein Horror-Thriller. Mir geht es bei der Rollenwahl auch gar nicht so ums Genre, als vielmehr um die Vielfalt von Charakteren und Geschichten. Wenn die Helden Schwächen haben, wenn man den Bösewichten zumindest eine Art von Verständnis entgegenbringen kann, dann bin ich interessiert.

 

EVOLVER: Sie haben eben von Glücksfällen gesprochen. Das kann doch nicht die einzige Erklärung für Ihren Lauf sein?

Renner: Nein, natürlich nicht. Aber man muß vorbereitet sein, wenn einem die Glücksfälle dann über den Weg laufen. Vor "The Hurt Locker" war ich jedenfalls schon eine ganze Weile darauf vorbereitet.

 

EVOLVER: Haben Sie jemals ans Aufgeben gedacht?

Renner: Nein. Schon mit 19 habe ich gewußt, daß ich das machen möchte. Ich habe daher auch nicht mehr anderweitig geplant. Und weil sich immer wieder was ergeben hat, bin ich auch immer drangeblieben.  Wenn ich 20 Jahre lang keinen Job bekommen hätte, hätte ich meinen Plan wohl überdacht. Aber nach rund eineinhalb Jahren in Los Angeles hatte ich bereits meine erste Rolle in einem "National Lampoon"-Film bekommen. Ein wirklich blöder Film, aber damals war das eine große Sache für mich. Ganz einfach, weil ich von da an den Eindruck hatte: Ich bin ein arbeitender Schauspieler, ich bin damit einer der glücklichen zwei Prozent, die es so weit geschafft haben.

 

EVOLVER: Sie sind ja auch als Singer/Songwriter tätig. Wie beeinflußt die Musik Ihre Arbeit als Schauspieler?

Renner: Musik ist für mich eine große Inspiration. Sie kann viele Gefühle wachrufen - also mache ich mir für jeden meiner Charaktere eine Playlist. Musik hilft mir, mich in den emotionalen Zustand zu versetzen, in dem ich zu einer bestimmten Zeit sein muß.

 

EVOLVER: Welche Musik war das denn für den "Bourne"-Film?

Renner: Songs, die mein Blut in Wallung bringen. Das kann von Muse über AC/DC bis zu Frank Sinatra vieles sein. Es ist schließlich schwer, schlecht drauf zu sein, wenn man Frank Sinatra hört, oder?

 

EVOLVER: Haben Sie eigentlich die "Bourne"-Bücher von Robert Ludlum gelesen?

Renner: Ganz ehrlich: nein. Ich lese keine Fiction. Dafür hab ich einfach zu wenig Zeit, auch weil ich nicht wirklich ein besonders schneller Leser bin. Ich bin ein wenig zu sehr der aktive Typ, um mich in solch einen Wälzer reinbeißen zu können. Vielleicht, wenn ich so ein Schnelleser wie meine Mutter wäre, die liest einen Ludlum nach dem Mittagessen ... Aber ich lese gerne Non-Fiction. Wenn ich etwas lerne, bleibe ich gleich viel länger interessiert.

 

EVOLVER: Glauben Sie eigentlich an Verschwörungstheorien?

Renner: Ich glaube, daß sie wichtig sind. Einige sind wirklich kreativ, einige so weit hergeholt, daß sie zum Lachen sind, einige sind wiederum so plausibel, daß es erschreckend ist. Wenn sie einen zum Nachdenken anregen, haben sie ihren Auftrag erfüllt.

Christoph Prenner

Das Bourne Vermächtnis

(The Bourne Legacy)


USA 2012

134 Min.

 

Regie: Tony Gilroy

Darsteller: Jeremy Renner, Rachel Weisz, Edward Norton u. a.

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