Kino_The Dark Knight

Why so serious?

Geniales Chaos vs. dunkler Ritter: Wer in den neuen Batman-Film geht, sollte eine Sauerstoffmaske einpacken. Action, Story und Heath Ledger als Joker rauben einem schlichtweg den Atem.    22.08.2008

Sie mögen keine Action-Filme? Sie haben keine der bisherigen "Batman"-Verfilmungen gesehen? Sie verabscheuen Superhelden in enganliegenden Overalls? Egal. Es ist Zeit, das alles vor der Kinotür zu lassen und sich "The Dark Knight", den von Fans sehnsüchtig erwarteten Blockbuster dieses Sommers, zu Gemüte zu führen.

Drei Jahre nach "Batman Begins" setzt Regisseur Christopher Nolan seine realistische Interpretation des Kult-Comics fort. Im Universum von Gotham City aber sind nur sechs Monate vergangen, seit wir Christian Bale zuletzt im Fledermaus-Outfit sahen.

Gotham ist seitdem sicherer geworden. Nur noch vereinzelt bevölkern mafiaähnliche Gruppierungen die Unterwelt - und sie alle leben in Angst vor dem Batman. Außerdem ist eine neue Art von Held auf der Bildfläche erschienen: Staatsanwalt Harvey Dent (erst solide und liebenswürdig, später so erschreckend wie ein Monster, das unter dem Bett lauert: Aaron Eckhart), der die bösen Buben reihenweise hinter Gitter bringt. Bruce Wayne alias Batman denkt schon daran, sich mit seiner Rachel (deplaziert: Maggie Gyllenhall) zur Ruhe zu setzen.

Doch plötzlich taucht auch "eine neue Art von Verbrecher", wie er sich selbst nennt, auf: der Joker (nervenzerfetzend: Heath Ledger). Er wird Batmans Nemesis werden, eine Herausforderung, der sich auch unser Überheld kaum gewachsen fühlt, weil er sie nicht versteht. Der Joker will kein Geld (in einer Szene verbrennt er gleich einen meterhohen Haufen davon), er will keine Macht; nicht einmal sein eigenes Leben ist ihm wirklich wichtig. Sein Ziel heißt Chaos. Und er möchte der Welt zeigen, daß jeder, auch die bejubelten Helden Harvey Dent und Batman, jederzeit auf die Seite des Bösen wechseln kann. Niemand ist immun dagegen, sich korrumpieren zu lassen, meint er, und will der Welt die Scheinheiligkeit des Heldentums vor Augen führen.

Batman muß nicht nur seinen Gegenspieler, sondern auch sich selbst besiegen. Er muß sich an sein Prinzip halten, nicht zu töten, obwohl ihn der Joker genau dazu auffordert und gleichzeitig Menschen abschlachtet. Und dann ist dieser Killer irgendwie ein verzerrtes Spiegelbild des Helden: Beide stehen am Rande der Gesellschaft, beide werden nie ein normales Leben führen.

Schon im Vorfeld verlor man mehr als genug Worte über Heath Ledgers letzte Performance als Bösewicht Joker. Die Klatschpresse brachte sie sogar mit seinem Tod durch Medikamentenüberdosis in Verbindung. Das ist zwar Unfug, alles andere aber stimmt: Ledger ist beängstigend, atemberaubend, verstörend und faszinierend. Er spielt den Joker als psychopathischen, mitleidlosen Verbrecher, der Spaß daran findet, sich besonders sadistische Spielchen auszudenken, um Menschen zu töten. Er verschwindet in der Rolle, wozu auch das schlampig aufgetragene Clown-Make-up beiträgt. Angeblich war Pete Dohertys Erscheinungsbild eine Inspiration für das Outfit des Jokers; Heath Ledger selbst nannte die Hauptfiguren von "Uhrwerk Orange" als Vorbilder für seine Darstellung. Eines ist jedenfalls klar: Sympathien für Clowns werden hier nicht geweckt.

Wie der Bösewicht ist auch der gesamte Grundton des Films: düster und gänzlich ohne Silberstreifen am Horizont. Jeder Sieg scheint einen Verlust mit sich zu bringen, ein Happy-End sieht anders aus. Auch wundert man sich angesichts von bis auf die Knochen verbrannten Gesichtern und den, ahem, ungewöhnlichen "Tricks" des Jokers über die milde Altersfreigabe des Films.

Katie Holmes, die im ersten Nolan-Teil die Rachel gab, ist nicht mehr mit von der Partie, ihr Ersatz ist Maggie Gyllenhall, die sich leider als das Gegenteil eines Glücksgriffs erweist. Sie spielt die Rolle flach, unbeteiligt und ohne jegliche Chemie mit den restlichen Darstellern. Auch ihr charakteristisches Gesicht fällt neben Schönlingen wie Bale und Eckhart negativ auf. Oberfläche ist bei einer Hochglanzproduktion wie dieser alles, und die weibliche Hauptrolle einer Comic-Verfilmung muß man eben mit einer klassischen Schönheit besetzen. Und: Der dritte Akt von "The Dark Knight" ist etwas lang geraten, auch wenn man das zwischen perfekt choreographierten Kampfsequenzen, in Spannung verpackten moralischen Dilemmata und Heath Ledgers gruseliger Leinwandpräsenz gern vergibt.

Der Vergleich der Filmhandlung mit der politischen Realität liegt übrigens nahe. Da gibt es einen Verbrecher, der bis zum Äußersten gehen würde, um zu beweisen, woran er glaubt. Ihm gegenüber stehen die sogenannten "Guten", die entscheiden müssen, wo ihre Grenzen liegen und wieviel ihnen ihre Ideale wert sind. Diese Analogie wird jedoch niemals aufdringlich, und man kann den Film auch als perfektes Popcorn-Action-Spektakel genießen.

Zum Abschluß empfindet man einen bitteren Nachgeschmack: Der Film ist Ledger und Conway Wickliffe (Special-Effects-Techniker, der während der Dreharbeiten starb) gewidmet - und Ledgers Tod ist wirklich eine Schande, angesichts des großen Potentials, das noch in dem Schauspieler steckte, und der noch ausbaufähigen Joker-Handlung ...

Das mag selbstsüchtig sein. Aber so sind Kino-Fans eben.

Johanna Schönfeld

The Dark Knight

ØØØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

USA 2008

152 Min.

Regie: Christopher Nolan

Darsteller: Christian Bale, Heath Ledger, Aaron Eckhart u. a.

 

 

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Kommentare_

gideon stargrave - 01.09.2008 : 09.15
grossartige batman sequel, leidet in den mainstreamkinos allerdings gewaltig unter der extrem miesen synchronisation... also: nach dem original suchen (in wien: gartenbaukino; in graz: royal english cinema)!! und, an das UCI graz: wenn ihr noch einmal nach einer -ohnehin sinnlosen- pause erst ca. 1 minute nach dem anschluss an den ersten teil eines etwasüberlangen films die projektorabdeckung öffnet, laufe ich amok.

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Wer auch immer diesem Film das gefällige Etikett "Polit-Satire" umgehängt hat, sollte lieber noch einmal im Lexikon nachschauen. Der neue Streifen von Mike Nichols ist viel eher ein Stück Zeitgeschichte, das als kurzweilige Komödie daherkommt.