Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Wettermacher

Dr. Trash empfiehlt: Verwenden Sie unbedingt die von der Diktatur vorgeschriebenen Energiesparfunzeln, damit Sie sich das Lesen auch gleich abgewöhnen können. Sparen Sie Wasser. Reduzieren Sie Ihren Fußabdruck durch viel zu kleine Schuhe - dann wollen Sie sowieso nicht mehr aus dem Haus gehen. Oder glauben Sie den ganzen Klimablödsinn einfach nicht ...    18.02.2014

Reden wir also übers Wetter.

In der gepflegten Konversation ist das ja ein durchaus beliebtes Thema, quer durch alle Gesellschaftsschichten. Ob man einander nun gut kennt oder nicht, man fängt immer mit dem Wetter an ("So ein Regen, was?" "Und kalt ist es!"), bevor man zu den Krankheiten fortschreitet beziehungsweise - bei jüngerem Volk - zu der Frage, an wem man sich in letzter Zeit sexuell vergangen hat.

Das liegt natürlich daran, daß kein Mensch weiß, wie Wetter geht, wie es morgen sein wird und warum es jetzt so ist, wie es ist. Also kann man alles mögliche darüber erzählen ... und das tun natürlich auch die Medien, frei nach dem Motto: Wenn wir unsere Leser/Hörer/Seher/Gehirngewaschenen schon in Sachen Politik, Wirtschaft und Geschichte dauernd belügen, warum nicht auch, was das Wetter angeht? Oder noch besser: das Klima - weil davon versteht erst recht keiner was.

Und so kommt es, daß man selbst als notorischer Zeitungsvermeider im Wiener öffentlichen Verkehr immer wieder mit den aufgeregten Schlagzeilen der sozialdemokratischen Wiener Gratis-Propagandablätter konfrontiert wird. Ob vor den Straßenbahnfenstern nun ein endloser, eiskalter und tiefverschneiter Winter herrscht, biblische Regenfälle die Straßen leider alles andere als endlich reinwaschen oder ein kurzer Sommereinbruch von einem Tag auf den anderen unwahrscheinliche Venustemperaturen mit sich bringt: "Schuld am Wetter ist der Klimawandel!" brüllt der Boulevard, den man als vernunftbegabter Mensch nicht einmal geschenkt haben will (von der "globalen Erwärmung" traut er sich nicht mehr zu schreiben, weil darauf nicht einmal mehr seine Stammkunden hereinfallen würden). Und dann wird stets ein "renommierter Klimaforscher" - eh immer dieselben Gsichter - herangezogen, der die absurde Behauptung mit noch absurderen Argumenten unterstützt, auf daß der gemeine Werktätige das ungute Gefühl hat, sein Kohlenirgendwasoxid-Fußabdruck sei immer noch viel zu groß, sozusagen Schuhgröße 47, wenn wir doch alle längst mit eingeschnürten Krüppelfüßchen durch die Lande wandern sollten.

Wenn jede der alle zehn Jahre wiederkehrenden Überschwemmungen gleich ein "Jahrhundert-Hochwasser" ist (freilich mit Bindestrich, Sie wissen schon, die vielen Silben ...), jede Hitzewelle ein noch nie dagewesener "Sahara-Sommer" und jeder Zentimeter Neuschnee wieder ein Zeichen dafür, daß uns bald der Himmel auf den Kopf fällt - dann sind Sie, o Leser, gefordert, Ihr Hirn und das Internet einzuschalten. Suchen Sie im Web nach Begriffen wie "Klimaschwindel", "Climategate", eventuell sogar "HAARP" oder "Chemtrails".

Oder reden Sie einfach nicht mehr übers Wetter. Es gibt sowieso Wichtigeres.

Dr. Trash

Dr. Trash empfiehlt


erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

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