Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Lagerkoller
Dr. Trash empfiehlt: Erzählen Sie den Schwachsinn über verschwindende Väter, mißbrauchende Mütter und Ihre jämmerliche Jugend ein letztes Mal dem Psychoanalytiker - und dann lassen Sie den Scharlatan sitzen und fangen endlich was Gescheites an. Zum Beispiel Bücher lesen, in denen es um etwas ganz anderes geht und die noch dazu ebenso unterhaltsam wie gut geschrieben sind: Pulp Fiction, garantiert ohne Quentin ...
12.03.2011
Versetzen wir uns zurück ans urzeitliche Lagerfeuer, wo bekanntlich all die guten Geschichten herstammen. Hätte der dortige Erzähler das traurige Migrantenschicksal seines Opas unter den bösen Cro-Magnons referiert oder sich mit dem ach-so-traumatisierenden Klaps auf die vorgewölbte Braue - damals als Sängerknabe auf Schloß Hinkelstein - aufgehalten, dann hätten nicht einmal Edelkiesel-Subventionen durch die gütige Steinzeitregierung das einfache Volk dazu gebracht, sich dieses Elend anzuhören.
Heute ist das anders, wie wir bei der Lektüre des literarischen Feuilletons feststellen. Betroffenheits- und Beziehungsmüll füllt Zeitungsspalten und Regale - und das unbelehrbare Volk schläft immer noch ein dabei. Es will lieber die guten Stories vom Lagerfeuer hören, die spannenden Abenteuer, die Verfolgungsjagden und Kämpfe, die Rätsel und Helden und Geheimnisse, die sexuellen und sonstigen Eroberungen. Es will Pulp. Und zwar nicht den Ironie-Schwachsinn, den Tarantino und Konsorten für die Träger schlechter Frisuren produzieren, sondern richtige "Pulp Fiction". Dieses Genre hatte immer wieder Saison, ob in den USA, England oder im deutschen Sprachraum, und überlebte trotz aller Zensurbemühungen von Hochkultur und Jugendschützern sämtliche Flauten, als Buch, Comic und Romanheft.
Wie es scheint, ist die Zeit für Pulp - bewußt geschrieben, mit all den liebgewonnenen Stereotypen und Handlungsklischees - wieder gekommen. Einer der modernen Nachfolger von Doc Savage (wer sich erinnert ... ) zum Beispiel heißt Gabriel Hunt und berichtet seine sagenhaften Erlebnisse professionellen Autoren wie Christa Faust, die sie dann in flotten, handlichen Taschenbüchlein wie Hunt Beyond the Frozen Fire oder Hunt at the Well of Eternity (Leisure Books) für die Nachwelt festhalten. Damsels in distress, üppig blühende Landschaften unter dem südpolaren Eis, alte Nazi-Geheimwaffen, Amazonenstämme: alles kein Problem. Laßt Hunt und sein Team arbeiten!
Die legitime Erbin klassischer Pulp-Heldinnen wie Modesty Blaise und Emma Peel wiederum nennt sich Kay Blanchard, ist Geheimagentin beim britischen MI6, sex- und drogensüchtig und mit Lizenz zum sadistischen Killen ausgestattet. Sie diktiert ihre Fälle einem gewissen r.evolver, der als ersten davon The Nazi Island Mystery (EVOLVER BOOKS) meisterlich aufgezeichnet hat - und das sage ich nicht nur, weil ich ihn für das Nachwort des Romans interviewen durfte. Sondern wegen: Vienna City im Vierten Reich, den Klons von Laurel und Hardy, intergalaktischen Werwölfen und Rollerdisco-Wichteln, dem auferstandenen Führer auf besagter Insel, Ilsa revisited und noch viel mehr ...
So kehrt der Pulp in die Fiction zurück.
Dr. Trash
Kommentare_