Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Scharfzeichner
Dr. Trash empfiehlt: Freuen Sie sich darüber, daß die Ironie-Szene (Sie wissen schon, die mit den heiteren Bärtchen, strohdummen Hütchen und der schlurfigen Kleidung) Comics noch nicht wirklich für sich entdeckt hat. Vielleicht liegt’s ja daran, daß es dort weder Gestalten wie die Gebrüder Coen noch eine angeschwuchtelte Indie-Bewegung wie in der Popmusik gibt - sondern ein paar aufrechte Kämpfer, die die Tradition der Bildergeschichte hochhalten.
08.10.2011
Ich muß es ja ehrlich zugeben: Als Privatgelehrter habe ich mich nicht nur einmal in meinem Leben sehr intensiv mit Comics befaßt und sie gesammelt wie ein Wilder. Ganze Ikea-Regale waren voll mit den wunderbaren Heften; vieles davon war dem Superhelden-Genre zuzurechnen und kam aus den USA, manches stammte aber auch aus den Archiven der europäischen (vor allem franko-belgischen) Comic-Tradition und sogar aus der Heimat. Aber ohne Kunstanspruch, bitte! Für den Doc waren und sind Comics in erster Linie zum genüßlichen Lesen da – und nicht als Wertanlage (sonst hätte ich die Sammlung heute noch) oder als Beleg dafür, daß man einen breiteren Kulturbegriff hat als der Pöbel. Es geht ja sowieso immer nur um die Geschichten; wenn sie gut gezeichnet sind, umso besser.
Worauf ich aber eigentlich hinauswollte, bevor ich mich wieder in Theorie und Nostalgie verlor: Schon damals, in den 80er oder 90er Jahren (im Alter verschwimmen die Jahrzehnte, die man hinter sich gelassen hat), gab es eine Legende, von der österreichische Comic-Freunde ehrfürchtig und mit gedämpfter Stimme sprachen: Gerhard Förster. Der beste Letterer im deutschen Sprachraum. Der Mann, der über diesem Pornokino wohnt (mit dem er natürlich nichts zu tun hat), an dem man gelegentlich vorbeifährt, wenn man in Wien unterwegs ist. Persönlich kennenlernen durfte Ihr Leibarzt ihn nie; dank der Segnungen moderner Kommunikationstechnik aber kam vor kurzem wenigstens ein elektropostalischer Kontakt zustande.
Und siehe da, Förster lettert nicht mehr, sondern ist jetzt (zusammen mit Hans Stojetz) Chefredakteur der Zeitschrift Die Sprechblase. Dieses ehemalige Hausblatt des ehrwürdigen und mittlerweile leider zugesperrten Hethke-Verlags befaßt sich heute nicht mehr nur mit deutschen Comic-Legenden, für die Hethke bekannt war, sondern mit Comic-Klassikern aus ganz Europa, in Form ausführlicher Artikel über Serien, Porträts von Zeichnern und Autoren sowie Interviews. Gelegentlich wagt man auch einen Bruch mit der Tradition und kleine Ausflüge in die USA, etwa zu fast vergessenen Marvel-Superhelden. Und regelmäßig finden sich im Heft auch Meisterstücke wie der Beitrag über die Geschichte des Heftromanhelden "Lassiter" (Ausgabe 219) oder Försters Artikel über die Fernsehserie "Die Onedin-Linie" (220). Und naürlich eine Menge fundierter Rezensionen …
So schön gestaltet, farbig und informativ wünscht man sich die Aufarbeitung populärer Literatur – damit sie nicht den Professoren überlassen bleibt. Daher verschreibt Ihnen der Doc diesmal ein Sprechblase-Abo oder wenigstens ein paar Back-Issues (Bestelladresse: www.die-neue-sprechblase.at). Weil er es gut mit Ihnen meint.
Dr. Trash
Kommentare_