Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Hoffnungskleber
Dr. Trash empfiehlt: Schleudern Sie Ihr Amazon-Kindl in die Ecke! Lassen Sie das EierPad links liegen! Verderben Sie sich mit IiihBooks auf dem Handtelefon nicht die Augen! Wer sich einbildet, durch das bloße Übertragen gedruckter Seiten auf einen Bildschirm neue Dimensionen des Lesens zu erschließen, der täuscht sich - weil: Gute Bücher brauchen keine Suchfunktion. Außerdem hat ein Wiener "Zettelpoet" die Literatur schon vor mehr als 30 Jahren aus Bibliotheken und faden Feuilleton-Schreibstuben herausgeholt.
04.09.2010
Träumen Sie eigentlich - oder träumt Ihnen?
Alles klar, Sie können diese Frage so nicht beantworten, da Papier zwar geduldig, aber noch nicht interaktiv ist. Gott sei Dank. Jetzt ist sowieso der Doc dran. Und der - als Feind praktisch aller Passivformen - träumt selbst, vielen Dank, weil er sich nicht einmal im Schlaf was einreden läßt.
Vor kurzem zeigten ihm seine nächtlichen Visionen gar Entsetzliches: ein Supermarkt in Deutschland, an der Kassa ein höflicher Österreicher (also eine totale Umkehrung der Tatsachen, seit wir nur mehr schmähfreie Piefke im Land haben). Besagter Mensch drückt der Trash-Traumgestalt eine Postkarte über Kulturförderung in die Hand, zum Ausfüllen. Aber noch während des Schreibens verwandelt sich die Karte in ein Riesenformular voll Beamtengeschwafel, das in seinem hilflos-präpotenten Elend umgehend die Misere der subventionierten Kunst offenbart: Geld kriegen die Staatskünstler, die Systemerhalter, die Kunstmafia und die Unfähigen, die bei sogenannten Qualitätszeitungen unterkommen. Also praktisch immer die Falschen - und das nur, weil kein normaler Mensch diese undurchsichtigen Machenschaften und Packeleien durchschaut.
Ja, da staunen Sie, was? So gescheit träumt der Doc.
Aber was nützt ihm das alles beim täglichen Steuerzahlen? Wer fragt ihn, welchen Künstler seiner Wahl er mit seinem hart ererbten Geld unterstützen will? Richtig: niemand. Deshalb hat er auch viel zu selten Gelegenheit, dem einzigen österreichischen Literaten, den er für subventionierenswert hält, eine Finanzspritze zu verabreichen. Es handelt sich um den Wiener Helmut Seethaler, der die Bezeichnung "Underground-Dichter" im Gegensatz zu vielen Unwürdigen wirklich verdient hat. Er ist seit 1974 aktiv und (meist nächtens) in der Stadt unterwegs, befestigt seine Zettelgedichte an Bauzäunen und "Werbeflächen", schreibt seine Kurzgedichte mit abwaschbarem Filzstift an die Schaufenster ekelhafter "Einkaufstempel" und läßt sich auch von Tausenden Anzeigen, Verhaftungen und Gerichtsverhandlungen - wobei nur ein winziger Bruchteil in rechtskräftige Verurteilungen mündete (doch der Druck wird immer stärker ...) - nicht unterkriegen.
Da das gemeine Volk immer weniger liest und die Sprache zugunsten eines blödsinnigen Kauderwelsch einbüßt, pflückt es auch immer seltener Seethalersche Zettelgedichte. Und das macht es dem Ur-Independent-Schriftsteller (der schon lange vor Weblogs und Books on Demand aktiv war) leider immer schwerer, seine "Kunst im öffentlichen Raum" weiter zu praktizieren. Er tut es trotzdem. Und Sie können ihm dafür mit Geldspenden danken. Sein Konto: PSK 7 975 059. Siehe auch: www.hoffnung.at. Und Texte via Anrufbeantworter gibt’s auch: 01/330 37 01.
Tun Sie was für Ihre Literatur!
Dr. Trash
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