Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Tagesdosis

Dr. Trash empfiehlt: Ignorieren Sie die Datumsangabe "2004" in seiner folgenden Kolumne (die im Herbst vor vier Jahren verfaßt wurde). Bei ihm geht es schließlich um ewige Wahrheiten - ebenso wie in den lehrreichen Abreißkalendern, die Abwechslung in unser aller Schreibtisch-Tatorte bringen.    27.06.2007

Na, bitte, jetzt geht´s wieder los mit den Kalendern!

Der Doc kann diese Jahreszeit - wie jede andere eigentlich, wenn er drüber nachdenkt - gar nicht leiden. Ab dem Spätsommer tauchen nämlich die mehr oder (meist) weniger kreativ gestalteten Datumsverzeichnisse fürs nächste Jahr auf, was ihn nur daran erinnert, daß ekelhaft viel Zeit vergangen ist, für die es ekelhaft wenig an erbrachter Leistung vorzuweisen gibt. Mit dem Alter hat das übrigens nichts zu tun, sonst ginge es ihm nicht schon seit seiner Kindheit so, sondern mit dem, was man gemeinhin Leben nennt.

"Pfui!" wie Nero Wolfe so richtig sagte. Darüber wollen wir jetzt bestimmt nicht sprechen.

Befassen wir uns lieber mit der bemerkenswerten Frage, ob Kalender aller Art zum Bereich der "unsichtbaren Literatur" (siehe auch: Gebrauchsanweisungen, Hinweisschilder, Amtsblätter etc.) gehören, über den postmoderne Philosophen und ernste Industrial-Künstler so gern nachdenken. Immerhin ist man ja dauernd mit ihnen konfrontiert und hat bei den besseren Exemplaren dieser Gattung auch stets was zu lesen. Der Doc etwa hatte ewiglich einen dieser Täglichabreißschreibtischkalender neben seinem Stromhirn stehen und erfreute seine wenigen Korrespondenzpartner gern mit gelungen weltverachtenden Literatur- und Alkoholikerzitaten.

Aus dem traditionsreichen Verlag F. A. Brockhaus wird für nächstes Jahr ähnliches Täglicheinblattwegwerfmaterial geboten, das zwar weniger Stammtischeignung besitzt (wurscht, weil man kann ja eh nirgends mehr hingehen ...), sich jedoch durchaus für "Wußten Sie schon?"-Nervsitzungen mit anderen Halbgebildeten eignet.

Wußten Sie zum Beispiel schon, daß das berühmte letzte Wort "Welch ein Künstler geht mit mir zugrunde!" weder von Picasso noch von Goethe (und auch nicht von Spielberg), sondern vom allseits beliebten Kaiser Nero ausgestoßen wurde? Nein? Schande über Sie - doch mit dem Kalender "Duden: Allgemeinbildung 2004" können Sie diesem Mangel abhelfen - gleich 365mal, abzüglich der Sonntage. (Rechnen Sie sich´s selber aus.) Ein ähnliches Millionenshow-Training liefern das Täglichwasneuesgelerntsammlerstück "Brockhaus: Was so nicht im Lexikon steht 2004", das für Rätsler und Gedächtnisverbesserer gedachte Kalendarium "Meyers Grips-Gymnastik 2004", die bestens gegen die TV-Verblödung einsetzbare Zettelsammlung "Brockhaus: Meisterwerke, die man kennen muß 2004" und schließlich der gerade in Zeiten der Deppenrechtschreibung sehr brauchbare stumme Lehrer "Duden: Fallstricke der deutschen Sprache 2004".

Und wissen Sie was? Wenn Sie aus einem der hier vorgestellten halbunsichtbaren Werke was Interessantes erfahren haben - rufen Sie mich nicht an. Bitte.

Dr. Trash

Dr. Trash empfiehlt


erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

Links:

Kommentare_

Print
Klaus Ferentschik - Ebenbild

Doppelgänger-Phantasie

In seinem neuen Roman erzählt Klaus Ferentschik von Spionen, verschwundenen USB-Sticks, Hagelkörnersammlern und Eisleichen. Das Ergebnis ist ein philosophisch-psychologischer Agententhriller, der mehr als doppelbödig daherkommt.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 42

Du darfst ...

Gute Nachricht für alle Desorientierten und von Relikten der Vergangenheit Geplagten: Unser beliebter Motivationstrainer Peter Hiess zeigt Euch einen Ausweg. Und die erste Beratungseinheit ist noch dazu gratis!  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 41

Gleisträume

Will man sich in den Vororten verorten, dann braucht man auch die praktische Verkehrsverbindung. Der EVOLVER-Stadtkolumnist begrüßt den Herbst mit einer Fahrt ins Grüne - und stimmt dabei ein Lob der Vorortelinie an.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 40

Weana Madln 2.0

Treffen der Giganten: Der "Depeschen"-Kolumnist diskutiert mit dem legendären Dr. Trash die Wiener Weiblichkeit von heute. Und zwar bei einem Doppelliter Gin-Tonic ... weil man sowas nüchtern nicht aushält.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 39

Der Tag der Unruhe

Unser Kolumnist läßt sich von Fernando Pessoa inspirieren und stellt bei seinen Großstadtspaziergängen Beobachtungen an, die von ganz weit draußen kommen. Dort wirkt nämlich selbst das Weihnachtsfest noch richtig friedlich.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 38

Schneller! Schneller!

Wie man hört, trainieren US-Soldaten in Manövern für die Zombie-Apokalypse. In Wien scheint sie bereits ausgebrochen. Der EVOLVER-Experte für urbane Beobachtungen weiß auch, warum.