Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Tollschocken
Dr. Trash empfiehlt: Denken Sie über den Begriff "fortschrittlich" nach. Seit mehr als 40 Jahren haben dieselben Typen die Definitionshoheit über dieses Wort - obwohl diese traurigen Gestalten mittlerweile im Altersheim sind (oder dort hingehören). Statt weiterhin sozialdemokratische Krimis, linksliberale Zukunftsromane, antisexistische Kinder-Fantasy und ähnliche Kleinbürgerliteratur zu lesen, sollten Sie sich endlich wieder über Bücher trauen, die provozieren.
18.09.2010
Ein Raunen, Rascheln und Räuspern geht durch die Science-Fiction-Foren im Internet. Da hat es doch tatsächlich jemand gewagt, eine Buchreihe mit dem von vornherein suspekten Titel Stahlfront zu schreiben - und der Schweizer Verlag Unitall hat auch noch die Stirn, das zu veröffentlichen! Der Autor der gefährlichen Machwerke nennt sich Torn Chaines und gibt vor, ein freiheitsliebender Ami zu sein, aber das ist alles nicht wahr, bitte sehr. (No na ... aber andererseits: Darf man so ein Pseudonym vergeuden? Na eben.) Und was er in seinen Zukunftsromanen schreibt, vom Reich Thule, gegründet vor Ende des Zweiten Weltkriegs von deutschen Offizieren, die von der Hitlerei genug hatten und sich in Neuschwabenland unterirdisch ansiedelten, das grenze doch schon an Faschismus, sei aber mindestens rassistisch, sexistisch und klimaverbrecherisch zugleich. Sie fordern Verbote, die sonst so liberalen SF-Fans, wenigstens aber einen totalen Boykott der Bücher. Verbrennen kann man sie ja heutzutage leider nicht mehr ... oder noch nicht wieder.
Nun ist der Doc halt einer, der sich ungern etwas verbieten läßt, schon gar nicht von den politisch korrekten, nützlichen bis nutzlosen Idioten, die ihm auch das Rauchen und den Herrenwitz verleiden wollen. Noch dazu ist er gegen jede Art von Zensur; wenn es nach ihm geht, dann sollten alle in der Schule Mein Kampf im Original und unkommentiert lesen müssen, damit sie sehen, wie schlecht und langweilig der Führer geschrieben hat. Also hat sich der Privatgelehrte Ihres Vertrauens die Stahlfront-Bände vier bis sechs (die ersten drei sind vergriffen oder sonstwohin verschwunden, das versteht keiner) auf eigene Kosten kommen lassen.
Sein unbestechliches Urteil: höchst amüsant. Die Romane Verrat um Thule, Yes, we can! und Aldebaran ... und Mars sind kompetent gefertigte Military-SF auf oberem Heftromanniveau (also gut) und vor allem - das ist das eigentlich Liebenswerte daran - ganz gezielt darauf hingeschrieben, sämtliche heiligen Kühe der langweiligen Gutmenschen mit der Panzerfaust zu zerfetzen. Mr. Chaines läßt in seiner Alternativwelt blonde Deutsche in schwarzen Uniformen gegen das böse Amerika und die entartete EU antreten (die beide, wie alle Mächtigen, in Wahrheit von Außerirdischen gesteuert werden, was aus genetischen Gründen bei Ariern jedoch nicht möglich ist) und sie gnadenlos, aber ehrenhaft besiegen. Wer dieses hehre Ziel verrät, ist in Stahlfront ein übles Kameradenschwein, wie anno dazumal ...
Das schreckt Sie? Sie Armer! Aber ist Science Fiction nicht genau dazu da, Tabus zu brechen und uns andere Realitäten zu zeigen? Keine Angst, die Frage war rein rhetorisch: Natürlich ist sie dazu da. Also trauen Sie sich endlich was.
Dr. Trash
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