Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Zukunftsweisen

Dr. Trash empfiehlt: Tragen auch Sie dazu bei, daß die Printmedien endlich das Zeitliche segnen. Erstens bieten sie sowieso nur noch eine ekelhafte Mischung aus Propaganda und Marketing; zweitens verbrauchen sie Papier, das sogar am Klo besser genützt wäre; und drittens kosten sie auch noch Geld. Dabei gibt es im Netz soviel Gutes zu lesen, gratis und jederzeit. Den EVOLVER zum Beispiel. Aber auch Science Fiction, die sich heute keiner mehr zu drucken traut.    07.08.2010

Es gibt Gerüchte darüber, daß der Doc immer schon online leben wollte - noch bevor es das Internet überhaupt gab. Das mag stimmen oder nicht; wahr ist jedenfalls, daß es kaum mehr etwas gibt, das ihn in der vorgeblich realen Welt hält. So verhält es sich auch mit periodischen Druckschriften, die (mit ganz wenigen Ausnahmen) seit den 90er Jahren praktisch täglich dümmer, einfallsloser und verlogener werden, was einzig und allein den Machenschaften der Anzeigenabteilungen, Geschäftsführer und Buchhalter zuzuschreiben ist. Aber das ist eine andere Geschichte, die mit dem Blut kreativer Menschen geschrieben ist, manchen noch den Schweiß ausbrechen lassen wird und uns allen nostalgische Tränen entlocken sollte ...

Nicht einmal auf die Fans ist heute mehr Verlaß. Bis vor einigen Jahren gab es wenigstens im angloamerikanischen Raum noch professionell produzierte Zeitschriften, die - längst der Welt der Pulps entwichen - vom Abdruck mehr oder weniger anspruchsvoller Science-Fiction-Stories leben konnten. Doch der scheinbar unabwendbare "Tod der Printmedien" macht auch vor solchen Spezialistenblättern nicht halt: Abonnentenzahlen und Auflagenhöhen sinken, Zeilenhonorare fallen ins Bodenlose, traditionsreiche Short-story-Periodika wie Amazing Stories sperren der Reihe nach zu.

Da bleibt dem Doc nichts anderes übrig, als wieder einmal im weltweiten Gewebe nach obskuren, unkommerziellen und attraktiven Alternativen zu suchen, wie es so seine Art ist. Das Ergebnis der unermüdlichen Recherche: FLURB - A Webzine of Astonishing Tales, gegründet im Herbst 2006 vom Mathematiker, SF-Autor und Computer-Genie Rudy Rucker, der einst zu den Mitgründern der Cyberpunk-Bewegung zählte. Als diverse Zeitschriften eine Kurzgeschichten-Kooperation von ihm und Mit-Weirdo Paul Di Filippo abgelehnt hatten, gründete Rucker seine Publikation, um ein Medium für Stories zu haben, die er selbst gern liest. Die in den bisher neun FLURB-Ausgaben gesammelten Beiträge stammen von "üblichen Verdächtigen" wie John Shirley, Marc Laidlaw und Richard Kadrey, aber auch von begabtem Nachwuchs, und sind mit Photos aus Ruckers Archiv illustriert - getreu dem surrealistischen Motto, daß jedes Bild zu jedem Text paßt. FLURB ist aufregend, spannend, verwirrend, sexy, liebenswert unkommerziell und bietet kostenlosen Lesestoff für viele Stunden.

Dazu hat der Doc übrigens auch den passenden Soundtrack entdeckt: Suchen Sie nach dem Podcast Ultima Thule und laden Sie gratis weit mehr als 300 Radiosendungen mit jeweils 90 Minuten futuristisch-zeitloser Ambient-Musik herunter. So ersparen Sie sich neben faden Printmedien auch noch das langweilige Radioprogramm.

Dr. Trash

Dr. Trash empfiehlt


erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

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