Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Lauschangriff
Dr. Trash empfiehlt: Feiern Sie mit ihm - wenn auch fast ein Jahr zu spät. Und lernen Sie gefälligst wieder, ordentliche Bücher zu lesen. Es geht doch nichts über das Gefühl, einen Schutzumschlag lüstern zu betasten, gefügige Seiten umzublättern, ein Lesezeichen an bestimmte Stellen zu schieben und einen staubigen alten Folianten befriedigt zuzuklappen.
14.05.2008
Heute habe ich Geburtstag. Keine Sentimentalitäten, bitte - wenn Sie diese Zeilen lesen, ist er aus produktionstechnischen Gründen ohnehin längst vorbei. Ich erwähne das auch nur, weil sich solche Jubiläen erfahrungsgemäß gut für Geständnisse, tränenreiche Einsichten und Was-ich-immer-schon-sagen-wollte-Enthüllungen eignen.
Also, was ich immer schon sagen wollte: Ich mag Hörbücher nicht. Einige Redakteure und Anzeigenakquisiteure dieser Zeitschrift ("Buchkultur", siehe unten) werden das zwar ungern hören, aber es ist halt so.
Und das hat seine Gründe: Erstens kann ich selber lesen, danke. Ich bin dazu fähig, Buchstaben, Worte und Sätze zu erkennen und mir vorzustellen, wie die handelnden Personen sprechen, was sie tun und wie sie und ihre Umgebung aussehen. (Das läuft übrigens nicht wie ein Film vor meinem inneren Auge ab - was für ein dummes Klischee! -, sondern in Bildern, erinnerungsgesteuerten Assoziationsfetzen usw. Film ist nämlich schon wieder ein anderes Medium ...)
Zweitens: Ich kann schnell lesen und brauche dabei den Mund nicht zu bewegen; das heißt, daß jeder Vorleser länger braucht als ich. Deshalb fehlt mir seit jeher die Geduld, jemandem beim Lesen zuzuhören. Ich kannte zum Beispiel einen Journalisten, der die Gewohnheit hatte, mir seine Kolumnen oder gelungenen Vorspänne am Telefon vorzutragen - und ich flehte ihn jedesmal an, mir den Text doch bitte zu mailen, zu faxen oder als Eilbrief zu schicken. Nicht nur seine Stimme ist mir in Sachen Literatur (ob "ernste" oder populäre) unerträglich, sondern auch die ausgebildeter Radiomoderatoren, eitler Schauspieler oder bekannter Synchronsprecher. Die lenken nur vom geschriebenen Wort ab. Und das geschriebene Wort läßt sich bekanntlich am besten gedruckt konsumieren.
Der Trend zum Hörbuch ist wie alle Trends der jüngeren Vergangenheit auf die schrumpfende Aufmerksamkeitsspanne des gemeinen Volkes zurückzuführen. Weil keiner mehr Zeit zum Lesen hat, liest man ihm halt vor, damit er in seinem ach-so-stressigen Alltag auch ein bißchen Kultur unterbringt - und beim Autofahren hörbuchmäßig so durcheinanderkommt, daß er keine Ahnung hat, worum es beim neuen Dan Brown geht, aber dafür ganz sicher weiß, wer an dem Auffahrunfall mit Totalschaden schuld ist.
Als zuständiger Pädagoge erlasse ich daher folgende Bestimmung: Hörbücher werden generell nur mehr für Blinde und schwer Sehbehinderte zugelassen. Weitere Ausnahmegenehmigungen gibt es für Analphabeten (aber nur in Begleitung des gedruckten Gegenstücks, zum Mitlernen!) und Schlaflose, deren Partner bei Licht kein Auge zukriegen. Literatur via iPod verbiete ich hiermit generell.
Ich darf das. Ich habe heute Geburtstag …
Dr. Trash
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