Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #4
Warum wir Kolumnen brauchen, die wir nicht brauchen
Die Wirtschaft floriert, und das liegt nicht an Schuhen, Brot und Rotwein - Dingen also, die jeder braucht -, sondern an Handys, iPods und dem Web. Dingen also, die keiner braucht. Ein Plädoyer. 02.04.2009
Immer mehr Leserzuschriften fordern: Schafft die "Kolumnen, die die Welt nicht braucht" ab! Braucht keiner! Steht nur Unsinn drin! - Und das könne man "ja auch verstehen", heißt es in einem Leserbrief von Ödon Nasenwurzer* (*Name von der Redaktion geändert), denn es sei ja eh schnurze, was drinsteht, eben genau, weil´s die Welt ja ohnehin nicht braucht.
Hier muß ich ganz deutlich widersprechen: Es ist nicht egal, es ist ganz und gar nicht egal. Angenommen, ich würde hier Witze reißen über gewisse Propheten, deren Namen nicht näher genannt werden sollen - schon würden die Flaggenmärkte reißenden Absatz verzeichnen und gewisse Bürger gewisser Länder wüßten, was sie heute Abend mit ihrer Kanne Kerosin unternehmen. Oder: Angenommen, ich würde dazu aufrufen, "die Frau" (als Ganzes) zurückzuschicken an Heim und Herd, wo sie ja schließlich hingehört. Sogleich würde es Widerspruch nieseln, Ablehnung regnen, ach was sage ich, Proteste hageln! Den Drohbriefen würde ich aber bloß entnehmen, daß Männer ohnehin besser kochen können.
Auch aufs "brauchen" kommt´s nicht an. Kosmisch gesehen sind Kolumnen, egal welche, so überflüssig wie die kommenden Supernoven, in denen sie alle (samt der angeblich ach-so-nützlichen Autobahnen, Dosenöffner, Einmal-Wischtücher ...) verpuffen werden. Genau wie die schlauen Bücher, die einem beibringen, daß die Mehrzahl von Supernova nicht "Supernovi", sondern "Supernovae" oder "Supernovas" lautet.
Brauchen, brauchen ... was für ein unbrauchbares Wort, um damit den Wert eines Dings zu definieren! Pro Woche kommt eine neue TV-Serie auf den Markt. "Braucht" die einer? Wer braucht denn "Friends" oder "Sex in the City", wenn er beides schon hat? Und das war schon immer so, also keineswegs früher besser. Sicher, heute zieht man sich Schlips und Krawatte an, setzt sich aufs Sofa und drückt sich im DVD-Heimkino "Knight Rider" und "A-Team", ganz so, als wären das damals die Kulturtanker der Unterhaltungsflotte gewesen. Aber in Wirklichkeit brauchte das damals keiner, und die TV-Zeitschriften zerrissen sich (gewiß in Kolumnen, die keiner brauchte!) das Maul über die Hawaii-Hemden von Magnum und die T-Shirts unter den Sakkos von Crockett und Tubbs.
Brauchtumspflege hin oder her, erst die Zeit wird zeigen, was wichtig war. Ich zum Beispiel fand "Cannon" die wichtigste Krimiserie, die je gedreht wurde, dicht gefolgt von "Cagney & Lacey". Daß sowas heute nur noch im Bezahlfernsehen läuft, kann als Auszeichnung interpretiert werden, die sich nur toppen läßt durch Serien, die nicht mal als DVD erschienen sind - etwa "Petrocelli" oder "Lou Grant". Ich weiß, was Sie jetzt denken: "Lou Grant braucht heute keiner mehr." Wenn man heute einen klingeltonverblödeten Teenie fragt, was er mal werden will, lätscht der doch sowieso & lustlos: "Weiß auch nicht, irgendwas mit Medien ...", ohne daß er vorher wenigstens einen Journalisten als Fernsehhelden verehrt hat. Wo sind die Pickelgesichter, die Raumfahrer, Fußballer, Stuntmen und Feuerwehrmänner werden wollen?
Merke: Richtig gut ist nur, was keiner haben will. Und das sind Dinge, die unsere Zeit vergeuden, die zu nichts gut sind, die keinen Zweck haben. Sowas muß es auch geben, allein schon, um uns daran zu erinnern, daß unsere Welt kein globaler Basar für die Busineß-Transaktionen der Geldmächtigen ist, kein Ort, in der schlechte Ficks und gute Söhne gleichermaßen ins Bruttosozialprodukt einfließen. Wir brauchen großartige (und überflüssige) Kunstwerke, die nichts als sich selbst bedeuten. Wir brauchen Dinge, die sich der Verzweckung tapfer entgegenstellen. Wir brauchen diese sinnlose Kolumne hier. Und ich brauch´ jetzt was zu trinken.
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In unserer Reihe "Bilderrätsel, die die Welt nicht braucht" zeigen wir heute einen zu erratenden Film aus den Siebzigern.
Auf diesem Foto nicht zu sehen ist: die Butter, denn die wäre inzwischen ranzig.
Kommentare_
Der letzte Tango von Paris? Ich meine, wegen der Butter (und der Stellung)...
Ich wusste, dass es zu einfach war. Also okay, ich ändere die Frage in: Welche Buttermarke war benutzt worden?
Prost auch. Aktenvernichterscheren braucht die Welt auch nicht. Oder auch doch, um Kreditkartenrechnungen zu shreddern.
Kreditkarten braucht die Welt. Gerade jetzt. Viele!