Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Marktwert

Dr. Trash empfiehlt: Halten Sie es mit dem Konsum, wie Sie wollen - aber machen Sie doch bitte keine Ideologie draus! Passend zur widerlichen Selbstbeweihräucherung der 68er-Generation in diesem Jahr finden Sie hier eine Kolumne aus dem Mai 2006, in der die sogenannte Gegenkultur als das entlarvt wird, was sie ist: eine traurige Schimäre. Aber auch die Alternative kocht nur mit abgestandenem Wasser ...    30.01.2008

Der Doc haßt Hippies.

So, jetzt ist es heraußen (obwohl es sich mancher Leser schon gedacht haben wird). Der Doc hegt eine tiefe und seit Jahrzehnten währende Abneigung gegen die Alt-68er, die sich nach dem langen Arschkriechen duch die Institutionen an die Sessel der Macht klammern. Er möchte kotzen, wenn er vor Bahnhöfen Sandler-Punks herumhängen sieht, die nichts anderes sind als die alten Gammler im neuen Kostüm. Er hält "alternative" Stadtzeitungen und Radiosender, Museumsquartiere und pseudo-avantgardistische Literaturvereinigungen für verbeamtete Subventionskassierer, die sich vor allem mit gegenseitigem Steigbügelhalten beschäftigen und die Welt mehr verblöden, als es die sogenannte Hochkultur oder Bourgeoisie je gekonnt hätte.

Kurz und gut: Der Autor dieser Zeilen hat sich nie irgendeiner "Gegenkultur" zugehörig gefühlt - schon deswegen, weil er in guter alter Tradition bei keinem Verein sein möchte, der Leute wie ihn als Mitglieder aufnimmt. Deshalb verfiel er auch gleich in klammheimliche Freude, als er den Buchtitel Konsumrebellen. Der Mythos der Gegenkultur (Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins) in einer Verlagsvorschau erblickte. Schließlich weiß niemand besser als er, daß all die Verweigerer, Widerständler und "Outlaws", die sich in Kultur, Politik und Kulturpolitik herumtreiben, in Wahrheit die schlimmsten Verräter, EU-Befürworter und Machtmenschen sind.

Die kanadischen Autoren/Wissenschaftler Joseph Heath und Andrew Potter schlachten in ihrem provokanten Buch dann auch ein paar heilige Kühe ab, daß es eine Freude ist: Sie weisen nach, daß die selbsternannten "Konsumverweigerer" selbst die schlimmsten Einkaufs-Junkies sind und mit den erworbenen Alternativ-Kulturerzeugnissen, genfreien Biotechnik-Lebensmitteln, Häuschen im Grünen etc. nur cooler, besser und klüger dastehen wollen als ihre dummen, manipulierten Mitmenschen. Sie zerlegen die Argumente der "Rebellen" und zeigen, daß in Wahrheit niemand konformer und uniformierter agiert als die Leute, die dauernd beweisen müssen, wie unkonventionell sie sind.

Wunderbar. Das alles mußte schon lang einmal gesagt und geschrieben werden. Das Problem bei Heath und Potter ist nur ihre Alternative zum angeprangerten Nichtdenken der Hippie-Yuppies und ihrer Erben. Da fällt ihnen nämlich auch nichts Besseres ein als die angebliche Selbstregulierungsfähigkeit des freien Marktes, kombiniert mit politischen und "Grassroots"-Reformen. Und das, meine Herren, ist leider pure Sozialdemokratie - deren Folgen wir ja täglich in den Nachrichten erleben müssen.

Es bleibt also dabei: Der Doc haßt Hippies. Auch wenn sie so tun, als wären sie gar keine ...

Dr. Trash

Dr. Trash empfiehlt


erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht. 

Links:

Kommentare_

Print
Klaus Ferentschik - Ebenbild

Doppelgänger-Phantasie

In seinem neuen Roman erzählt Klaus Ferentschik von Spionen, verschwundenen USB-Sticks, Hagelkörnersammlern und Eisleichen. Das Ergebnis ist ein philosophisch-psychologischer Agententhriller, der mehr als doppelbödig daherkommt.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 42

Du darfst ...

Gute Nachricht für alle Desorientierten und von Relikten der Vergangenheit Geplagten: Unser beliebter Motivationstrainer Peter Hiess zeigt Euch einen Ausweg. Und die erste Beratungseinheit ist noch dazu gratis!  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 41

Gleisträume

Will man sich in den Vororten verorten, dann braucht man auch die praktische Verkehrsverbindung. Der EVOLVER-Stadtkolumnist begrüßt den Herbst mit einer Fahrt ins Grüne - und stimmt dabei ein Lob der Vorortelinie an.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 40

Weana Madln 2.0

Treffen der Giganten: Der "Depeschen"-Kolumnist diskutiert mit dem legendären Dr. Trash die Wiener Weiblichkeit von heute. Und zwar bei einem Doppelliter Gin-Tonic ... weil man sowas nüchtern nicht aushält.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 39

Der Tag der Unruhe

Unser Kolumnist läßt sich von Fernando Pessoa inspirieren und stellt bei seinen Großstadtspaziergängen Beobachtungen an, die von ganz weit draußen kommen. Dort wirkt nämlich selbst das Weihnachtsfest noch richtig friedlich.  

Kolumnen
Depeschen an die Provinz/Episode 38

Schneller! Schneller!

Wie man hört, trainieren US-Soldaten in Manövern für die Zombie-Apokalypse. In Wien scheint sie bereits ausgebrochen. Der EVOLVER-Experte für urbane Beobachtungen weiß auch, warum.