Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Nachdruck

Dr. Trash empfiehlt: Schweifen Sie nicht in die Ferne, wenn das Gute war schon da. Statt sich mit den Absonderungen spätpubertierender Nachwuchsschriftsteller und Vierte-Generation-Holocaust-Abarbeiter auseinanderzusetzen, könnten Sie ja auch überprüfen, was einst Gescheiteres geschrieben wurde - und heute zu moderaten Preisen erhältlich ist.    13.02.2008

Alle guten Bücher wurden bereits geschrieben. Diese Tatsache muß sich jeder junge Mensch vor Augen halten, wenn er sich mit leuchtenden Augen vor die Schreibmaschine setzt, um seine Ideen zu Papier zu bringen. Tut mir leid, junger Mensch, sagt ihm dann ein belesener Besserwisser wie der Doc, aber das war doch alles schon da. Spätestens in der Bibel, wo alle Plots erzählt werden - oder irgendwann in den zwei Jahrtausenden danach. Und auch an deinem ganz privaten Stil haben sich schon hundert idealistische und mehr oder weniger begabte Schriftsteller abgearbeitet. Du bist zu spät dran.

Da weint der junge Mensch dann und hört zu schreiben auf.

Der Doc aber weiß, daß es gut ist. Er erfreut sich lieber an den vielen exzellenten Büchern, die bereits geschrieben wurden und jetzt bei umtriebigen Verlagen wieder erscheinen. Auf diesem Sektor entdeckt man immer wieder neue alte Schätze. Die Bücher des deutschen Marixverlags etwa bürgen für Qualität und machen selbst aus Leuten mit normalem Einkommen anständige Bildungsbürger. Da kann man sich beispielweise an der zweisprachigen Ausgabe von Voltaires beißender Satire "Candide – oder der Optimismus" erfreuen, "Die Reden des Buddha" studieren oder mit dem herrlich verwirrten nordischen Engels- und Geisterseher Emanuel Swedenborg auf eine mystische Reise durch "Himmel und Hölle" gehen. Wer eher lexikalisches Wissen mit hohem Stammtisch-Nutzwert vorzieht, schlägt im praktischen Handbuch "Helden und Gottheiten der Antike" nach oder überrascht seine asiatischen Mitmenschen mit Fakten aus dem "Lexikon zur Geschichte Chinas".

Sprachliebhaber werden ihr Vokabular mit "Rotbuch Deutsch: Die Liste der gefährdeten Wörter" und "Schwarzbuch Deutsch: Die Liste der untergegangenen Wörter" vor dräuender Amerikanisierung bzw. Balkanisierung bewahren können; Verschwörungstheoretiker wiederum überprüfen in "Die geheimen Gutachten des Vatikan", vor welchen Büchern der Papst und seine Kumpanen die Welt schützen wollten. Zwischendurch lernt man ein paar Aphorismen aus Lichtenbergs berühmten "Sudelbüchern" auswendig, schreckt sich bei Karl R. H. Fricks Standardwerken "Satan und die Satanisten I–III" und "Licht und Finsternis. Okkulte Geheimgesellschaften bis zur Wende des 20. Jahrhunderts" oder läßt sich in "Ritter, Mönch und Bauersleut" eine unterhaltsame Geschichte des Mittelalters vorsetzen.

Das Schöne an den Marixverlag-Werken: Es handelt sich um echte Nachdrucke und nicht diese ekelhaften "kritischen Ausgaben", in denen heutige Pseudointellektuelle das klassische Wissen umdeuten dürfen. Und das ist gut so - weil ja nicht nur schon alles geschrieben ist, sondern auch längst alles gesagt ...

Dr. Trash

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