Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Kampfgeist

Dr. Trash empfiehlt: Versuchen Sie erst gar nicht, sich Muskeln anzutrainieren und den Schwertkampf zu erlernen. Dazu ist es ohnehin zu spät. Überlassen Sie das Barbaren-Handwerk lieber den Profis, besorgen Sie sich ein paar Liebhaberausgaben alter Howard-Werke und erleben Sie auf deren Seiten genüßlich, wie man einst in Phantasien mit Monstern und Multikulti umging ...    01.10.2008

Das journalistische Dasein ist, wie der Doc nach einigen Ausflügen in die Schmierantenbranche nur allzugut weiß, ein jammervolles und unglückliches. Natürlich ist er nicht der einzige, dem das aufgefallen ist. Schon Robert E. Howard, der 1906 im damals noch halbwilden Texas zur Welt kam, machte diese Erfahrung: Nach jugendlichen Jobs als Baumwollpflücker, Ölfeld-Arbeiter und Cowboy schrieb er auch für eine Zeitung, stellte aber bald fest, daß er "keine Lust mehr hatte, Leute zu interviewen, die er weder kannte noch mochte, und mit ihnen über Themen zu sprechen, die ihn nicht interessierten".

Kämen mehr Angehörige der Journaille gleich am Beginn ihrer Karriere zu dieser Erkenntnis, dann bliebe uns eine Papierflut an unnötigen Tagblättern und Illustrierten erspart. Howard jedenfalls zog die Konsequenz daraus, lenkte seine Schreibwut in menschenwürdige Bahnen und schenkte der Menschheit Conan, den Barbaren.

Halt, hiergeblieben, Leser! Sie brauchen den legendären Schwertkämpfer aus Cimmerien nicht zu fürchten - selbst wenn Sie ihn nur in seiner filmischen Inkarnation als Muskelmonster mit steirischem Akzent kennen. Der literarische Conan ist besser, vielschichtiger und tiefgründiger, steht in bester Pulp-Tradition und kennt keine Moral außer der Gier nach Schätzen, Macht und großbusigen Schönheiten. Er empfindet tiefe Abscheu vor den Überresten noch älterer und fremdartigerer Fantasy-Kulturen als seiner eigenen, weshalb er auch mit großer Vorliebe skrupellose Schwarzmagier, blasphemische Monster und halbmenschliche Stämme ausrottet. Und das in einer Welt, die so anschaulich und faszinierend beschrieben ist, daß sie halbherzige Hollywood-Visionen verblassen läßt.

Conan war jedoch nicht die einzige heldische Schöpfung Howards. In den mehr als 300 Stories und Romanen, die der texanische Amateurboxer im Laufe seiner kurzen schriftstellerischen Karriere (er verabschiedete sich mit 30 per Kopfschuß von dieser öden Welt) für Zeitschriften wie "Weird Tales" verfaßte, schuf er noch weitere bis heute beliebte Helden wie Kull von Atlantis, den Puritaner Soloman Kane, den Pikten Bran Mak Morn, die Kämpferin Red Sonya und den Iren Cormac Mac Art. Daneben entstanden Boxer- und Western-Stories, von Lovecrafts Cthulhu-Mythos inspirierte Gruselgeschichten und viel Lesenswertes mehr.

Da Howards Schaffen in den USA mehr gewürdigt wird als bei uns, empfiehlt der Doc die vielen Liebhaberausgaben mit den Original-Pulp-Texten, schönen Illustrationen und klugen Vorworten - zum Beispiel "The Savage Tales of Solomon Kane", die Reihe "The Weird Works of Robert E. Howard" oder "Kull - Exile of Atlantis". Wer bei Amazon suchet, der wird finden ...

Dr. Trash

Dr. Trash empfiehlt


erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

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