Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Dampfdruck
Dr. Trash empfiehlt: Pfeifen Sie auf die Zukunft - es ist sowieso zu befürchten, daß die nur aus sinnlosen "Smart"-Gadgets, Verslummung und schamloser Diktatur bestehen wird. Nicht umsonst führt einer der beliebtesten Science-Fiction-Trends der letzten paar Jahre in eine Vergangenheit zurück, die es so nie gab. Obwohl unsere Welt dadurch um einiges spannender geworden wäre ...
28.04.2014
Leser dieser Zeitschrift und vor allem dieser Kolumne, die sich mit populärer Kultur auskennen (und wer das nicht tut, der liest des Docs Pamphlete nicht oft genug), werden hoffentlich wissen, was Steampunk ist. Wenn nicht, genügt ein Besuch beim wie üblich langweiligen Wikipedia-Eintrag zum Thema, der zwar niemanden zum Lesen verleiten wird, aber dafür haben Sie ja mich.
Also: Als Ihr geschätzter Doktor und die Welt insgesamt noch viel jünger waren, erschien der erste wirklich einflußreiche Steampunk-Roman: "Die Differenzmaschine". Verfasser dieses wunderbaren Buchs, in dem es um eine viktorianisch gebliebene Welt mit einem mächtigen britischen Empire und um dampfgetriebene Computertechnik (die Dampfmaschine hat gesiegt, daher der Name des Genres) ging, waren William Gibson und Bruce Sterling. Und die konnten 1990, als Science-Fiction-Fans noch vom Cyberpunk begeistert waren, nichts falsch machen; das kam erst später. Übrigens: Ist Ihnen aufgefallen, wie schnell die Zeit zwischen 1990 und jetzt vergangen ist? Die Geschichte hat nicht geendet, aber sie läuft immer schneller.
Doch ich schweife ab. Im Mainstream schlug der Steampunk jedenfalls erst im jetzigen Millennium ein. Vielleicht liegt’s daran, daß in der öden Social-Media-Ära die Sehnsucht nach einem abenteuerlichen Leben, echten Helden und wahren Schurken mit gezwirbelten Schnurrbärten gestiegen ist. Oder auch, daß sich junge Leute gern pseudoviktorianisch verkleiden, weil Nerds heute alles dürfen. Was weiß denn ich, ich bin doch kein Soziologe ...
Das Problem ist, daß die stets überraschenden und sehr durchdachten Frühwerke des dampfigen Genres nur selten eingeholt oder gar übertroffen wurden. Mittlerweile genügt es, in die oft für Jugendliche geschriebenen Werke einen Zeppelin, finstere Londoner Slums und die Romanze zwischen einer Lady und einem Mechanikerlehrling einzubauen, und schon ist der Steampunk fertig.
Dennoch: Wer diese Subkultur nicht kennt, hat was verpaßt. Deshalb gibt Ihnen der Doc auch drei kurze Tips für Ihre karge Freizeit abseits von Facebook und Twitter. Von 27. bis 29. September 2013 findet die "European Steampunk Convention Vienna" statt, mit Mode, Lesungen und einer rauschigen Ballnacht - schlag nach bei: www.eurosteamcon.at. Und um sich auf das Ereignis vorzubereiten, sollten Sie zu den äußerst brauchbaren Werken des Mark Hodder um das Detektivduo Burton & Swinburne (aktuell: "Der wundersame Fall des Uhrwerkmannes"; Bastei-Lübbe) und der höchst skurrilen "Räder"-Trilogie des Jay Lake (neu: "Die Räder der Zeit"; Bastei-Lübbe) greifen.
Eventuell finden Sie ja auch einen Zug mit Dampflok, in dem sich die Folianten stilgerecht konsumieren lassen.
Dr. Trash
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