Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Elektrogeschenke
Dr. Trash empfiehlt: Machen Sie sich mit dem Medium E-Book vertraut - bald wird Ihnen ohnehin nichts anderes übrigbleiben, als Bücher auf einem Tablett zu lesen. Die Verlage wissen derzeit auch noch nicht so genau, wie das mit den elektronischen Versionen ihrer Ware funktionieren soll, also schenken sie einstweilen viel her. Und Bits nehmen ja wirklich viel weniger Platz weg als Papierstapel im Regal ...
23.09.2013
Wir erinnern uns: Video hat den Radiostern gekillt - so wie vorher schon der Fernseher das Kino. Immer schon mußten alte Medien den neuen weichen und traurig dorthin ziehen, wo schon die Rohrpost und die Schellack zum Sterben hingegangen waren.
Doch erst der Digital hat es geschafft, ganze Medienindustrien an den Rand des Abgrunds zu bringen. Alles wurde auf Einser und Nullern heruntergerechnet, war damit praktisch kostenfrei und beliebig oft kopierbar, ohne Qualitätsverlust und in jedem Kinderzimmer. Damit brach der Digital zuerst der Musikbranche das Genick, weil die sich sowieso darauf beschränkt hatte, Woche für Woche eine Flut unsäglichen Akustikschund auf den Markt zu werfen, der meist aus Klingeltönen für Jungdebile bestand. Und, ehrlich - warum sollte man dafür noch bezahlen, wenn das alles gratis im Internet herumschwirrte? Danach wurden Hollywood und Konsorten auf die Guillotine gezerrt: Ihr füttert uns mit seelenlosen Remakes, herzlosen RomComs und hirnlosem Cineastenmüll? Na gut, dann schauen wir, was wir wollen, aber auf dem eigenen PC-Flachbildschirm und gebührenfrei, bitte, danke.
Vor Angst bebend harrte die Verlagswelt, der sowieso schon mehr Leser davongerannt waren als dem Papst Gläubige(r), auf ihren Elfenbeintürmen aus. "Da gibt’s doch jetzt diese E-Books", raunten die Lektoren und Schöngeister. "Werden die uns auch die Umsätze killen?"
Einen solchen Massenmord würden die Medienstrategen nicht zulassen. Also beschlossen sie in einem Anfall Orwellschen Verkehrtdenkens, vorsorglich Selbstmord zu begehen: Man würde ausgewählte Elektrobücher einfach verschenken; vielleicht konnte das die Internetsauger dazu motivieren, gelegentlich für gutes Elektrogeld auch eines zu kaufen. Das ist etwa so, als kämen Tankstellen auf die krause Idee, zehn Liter Benzin gratis herzugeben, in der Hoffnung, der Autofahrer würde den restlichen Tank dann gegen Bezahlung anfüllen - während die übernächste Tankstelle gleich zwölf Liter kostenlos anbietet.
Für Sie, o sammelwütiger Leser, bedeutet das aber: Sie kriegen mehr virtuelle Bücher geschenkt, als Sie je im Leben lesen können. Schauen Sie doch nur zu xtme: Gute eBooks, wo kostenlos & günstig - täglich aktuell neuer Stoff angeboten wird, auf der Schwestersite auch in Englisch. Und manches davon ist gar nicht so übel.
Wie das Experiment ausgehen wird, weiß keiner. Vielleicht explodiert der Kindle ja einfach einmal, wenn zuviel Gratismaterial drauf ist. Oder es geht halt noch eine Kulturinstitution in die Knie.
Den Doc freut das durchaus. Weil Arroganz und Ahnungslosigkeit auch diese Branche lang genug regiert haben ...
Dr. Trash
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