Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Blattschuß

Dr. Trash empfiehlt: Legen Sie die Bücher weg - und kommen Sie ja nicht auf die Idee, Ihre Zeit mit saublöden Wochenblättern oder sogenannten Qualitätszeitungen zu vergeuden. Hochspezialisierte Fachzeitschriften sind ein bedeutender Teil der täglichen Pflichtlektüre, ob sie sich nun an Bewohner der elektronisch vernetzten Welt oder Leser mit berechtigtem Verfolgungswahn richten. Der Doktor verkabelt Ihre Gehirnzentren.    11.06.2008

Sagen Sie, Leser, wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Sie konsumieren da eine Zeitschrift, in der es praktisch nur um Bücher geht - und dann erwarten Sie von mir, Ihrem treuen Doktor, daß ich Ihnen in dieser Kolumne noch mehr von den Schwarten empfehle? Kriegen Sie nie genug? Wollen Sie mich wahnsinnig machen? Glauben Sie etwa, ich höre Ihre beschwichtigenden Antworten?

Natürlich höre ich sie nicht. So weit hat man mich noch nicht in den Irrsinn getrieben. Obwohl, die Geschichte mit den Büchern: Derzeit schaffe ich es kaum, eines zu lesen. Eine Konzentrationsschwäche vielleicht, oder das wechselhafte Wetter, vielleicht auch die Weiber, was weiß ich. Bleiben wir also einfach bei Zeitschriften. Nein, nicht diesen News-Seitenblicke-Focus-Profil-Schmierblättern, die man nicht einmal unter heftigen Zahnschmerzen im Wartezimmer zur Ablenkung benützen will - sondern Illustrierten, die man gern liest, von der ersten bis zur letzten Zeile, jede Seite in jeder Ausgabe, ja, gelegentlich sogar die Inserate.

Für den Doc heißt die seit nunmehr fast 16 Jahren wichtigste Druckschrift dieser Art WIRED und ist, wie gesagt wird, die "Bibel der Netzkultur", obwohl die erste Ausgabe erschienen ist, bevor es das Internet in seiner populären WWW-Form überhaupt gab. Wer wissen will, wie die moderne Welt der Bits und Bytes funktioniert, mit der er täglich zu tun hat (vielleicht, weil er dauernd vor dem Computer sitzen muß, wie Ihr armer Doktor), sollte WIRED lesen. Die Publikation hatte zwar ihre müden Phasen, etwa nach der Übernahme durch den Condé-Nast-Konzern, als man auf reine Wirtschaftsberichterstattung setzte, hat sich aber nun wieder erholt und wartete in der Oktober-Ausgabe beispielsweise mit einer Beilage namens "Geekipedia" auf. Dort wurden pointiert all die Ausdrücke erklärt, ohne die man sich heute - auch als Science-Fiction-Leser - nicht mehr auskennt. Vernetzen und abonnieren unter www.wired.com

Ein ebenso liebes, wenn auch etwas geheimeres Laster des Doc ist eine weitere amerikanische Zeitschrift (und es heißt nicht "Magazin" - egal, was die anderen sagen; in einem Magazin hebt man Sachen oder Patronen auf ...) namens PARANOIA, die vierteljährlich an Eingeweihte verschickt wird und sich - manchmal durchaus selbstironisch - mit allen Verschwörungen dieser Welt befaßt, sogar Dingen, die "Akte X" nur streifen konnte: dem AIDS-Komplott, dem chinesischen Organhandel, den geheimen Mächten hinter Serienkillern und der Wahrheit über Lee Harvey Oswald, unter anderem. Wenn Sie immer schon geahnt haben, daß die hinter ihnen her sind - nach der Lektüre wissen sie es. Daher: www.paranoiamagazine.com

Und eine Weile weg mit den Büchern.

Dr. Trash

Dr. Trash empfiehlt


erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht. 

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