Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Fehl Schaltung

Dr. Trash empfiehlt: Geben Sie den Sprachverblödern keine Chance! Setzen Sie lieber auf altmodische Zeichen wie Strichpunkte, Gedankenstriche (ja, dazu muß man denken ...) und vor allem den lieben Bindestrich. Sonst ergeht es Ihnen wie der Wien.Stadt.Regierung.    27.06.2014

Es ist schon grauslich, wenn man als Stadt eine Corporate Identity entwickelt - und neben der medial-ideologischen Gleichschaltung der Bewohner nach der Heiligen Politischen Korrektheit ("Du betest jetzt 68 Antifaterunser und erziehst deine KinderInnen genderneutral") auch die Sprache öffentlicher Verlautbarungen auf Dummerlniveau herabsenkt. Nehmen wir nur Wien: Da wird man schon beim Einfahren auf der Autobahn von hirnrissigen Durchhalteparolen à la "Wien ist anders" behelligt. Wie anders, nämlich richtig daneben, die Hauptstadt der Neu-Ostmark tatsächlich ist, das erfährt man perfiderweise erst, wenn man mittendrin und mit den "Wiener Linien" unterwegs ist. Da fragt man sich dann nämlich, was aus den guten alten Wiener Verkehrsbetrieben geworden ist (alle per "Cross-Border-Leasing" an sogenannte Investoren verscherbelt) und ob nicht die Verantwortlichen für diese Umbenennung ein paar Linien zuviel durch ihre Nasen inhaliert haben.

Wirklich schlimm wird´s aber erst, wenn man sieht, was die Sprachvernichter und Wortpeiniger der einstigen Kulturstadt Wien angetan haben. Mit Grauen vernimmt man da zum Beispiel, daß das ehemalige Historische Museum der Stadt Wien mittlerweile die Debilenbezeichnung "Wien Museum" trägt - und das alte Völkerkundemuseum heute noch ein bissl debiler "Welt Museum Wien" heißt. Ohne Bindestrich logischerweise, weil der ist praktisch abgeschafft, sonst könnte der Leser ja versehentlich irgendeinen Zusammenhang herstellen. Auch in Gratisblättchen drückt der schlechtbezahlte Praktikant lieber auf die Leertaste, statt nur eine Sekunde drüber nachzudenken, ob zwei nebeneinanderstehende Wörter möglicherweise gemeinsam Sinn ergeben (naturgemäß denkt er "Sinn machen", der Praktikant) - aber nein, schreib ma lieber: "Berlusconi Nachfolge unklar". Warum sollte es in einer Redaktion denn anders zugehen als im Kebab-Pizza-Nudelbeisl unten am Eck, wo der Wirt aus Kannitverstan auch jeden Tag "Grill Hendl" und "Schweins Schnitzel" auf seine Kreidetafel malt?

Ein wenig fühlt man sich dabei immer an die bösen Roboter aus "Raumschiff Enterprise" erinnert, denen Mister Spock mit irgendeinem Logiktrick das Elektronengehirn durcheinandergebracht hat, auf daß sie plötzlich hilflos in der Mitte der Zentrale schweben, Funken sprühen und mit Wiener-Linien-Stimme stammeln: "Fehler … Rechen … Sektor … beschädigt … Waffen … Systeme … herunterfahren … Fehler!" Und dann explodieren sie. Glück gehabt. Wenigstens müssen sie ohne Bindestriche nicht endgültig verblöden.

Und damit Sie nicht glauben, daß der Doc mit seiner Meinung ganz allein dasteht: Steuern Sie www.deppenleerzeichen.de an. Gute Web Site. Im Inter Net.

Dr. Trash

Dr. Trash empfiehlt

(Illustration © Jörg Vogeltanz)


erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

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