Musik_CD-Tips KW 39/07

Drei Männer im Schnee

Diesmal stellen wir die neuen Platten von drei richtigen Kerlen vor. Jeder von ihnen ist ein echter Boß - ein Macher, der die Klaviatur des jeweiligen Medienflügels perfekt beherrscht.    28.09.2007

Manfred Prescher

Bruce Springsteen - Magic

ØØØ

SonyBMG (USA 2007)


Darauf dürften sich alle Fans des "Boss" freuen: Endlich ist er wieder als Frontman seiner E-Street Band zu hören. Vorläufig vorbei sind damit die Ausflüge in die Folk-Welt Pete Seegers ("We Shall Overcome"/"Live In Dublin") und die düstere Outlaw-Schwermut ("Devil & Dust") - was thematisch ziemlich nahe beieinanderlag und sehr intime Momente von kathartischer Klarheit brachte. Nun kehrt er also in den Schoß der Stadion-Rock-Kombo zurück.

Das Ergebnis klingt zwar auch wieder wie eine Spurensuche, aber eine in der eigenen Vergangenheit. Es scheint fast so, als möchte Springsteen die Zeit von "Born In The USA" wiederaufleben lassen. Was an sich auch nicht verkehrt ist, denn man lebt ja nicht vom Brot allein. Allerdings ist "Magic" medioker. Das ist schade, denn der mittlerweile 58jährige Star aus New Jersey hat sich schon zu oft an seinem größten Verkaufserfolg messen lassen müssen - obwohl er doch zum Beispiel mit "Nebraska" oder "Darkness On The Edge Of Town" echte Meisterwerke erschuf. So könnte "Gipsy Biker" den Soundtrack für den Rentnerklamauk "Born To Be Wild - Saumäßig unterwegs" abgeben.

Aber natürlich darf eine Platte mit "der" Band auch vertraut klingen, vor allem, wenn Springsteen ein paar richtig gute Songs aus dem Mittelmaß herausragen läßt - allen voran das merkwürdig ätherische, beinahe depressive Titelstück, die vorwärtstreibende Single "Radio Nowhere" mit ihrer schweren Gitarrenbreitseite und das überaus bittere "Last To Die".

Links:

Babyshambles - Shotter´s Nation

ØØØØ

EMI (GB 2007)


Skandal-Kasperle Pete Doherty ist schon ein talentierter Künstler. Das vergißt man natürlich leicht, wenn das Rauschen im Blätterwald alles übertönt. Allerdings ist auch die Musik nicht immer so genial, wie sie sein könnte. Die erste Babyshambles-CD "Down In Albion" war zwar ziemlich okay, aber meiner Einschätzung nach trotzdem überhypet. Man glaubte, das insgesamt unausgegorene Werk gut finden zu müssen. Wenn man die Lebensumstände Dohertys betrachtet, sind die Qualitätsschwankungen auch irgendwie verständlich.

Ob nun "Shotter´s Nation" (noch) besser ist, wie allgemein behauptet wird, sei dahingestellt, auf jeden Fall hält das Album den Standard und schafft es auch, etwas durchdachter zu klingen. Die Kinks-Anleihen holpern etwas druckvoller, und auch die guten alten Libertines klingen durch - etwa, wenn Doherty in "You Talk" die Kastratenstimmlage von "Don´t Be Shy" hinbekommt. Er scheint also ziemlich fit zu sein. Der absolut beste Song des Albums ist die Single "Delivery", deren Refrain sofort ins Ohr geht und dort auch hängenbleibt - mit einem Text für die Ewigkeit: "Here comes a delivery/Straight from the heart of the misery/So, comes a delivery/Straight from the heart, to you." Da möchte man nicht der Mensch sein, dem das gewidmet wurde. Die Platte ist jedenfalls geeignet für alle Freunde von Songs, die persönliches Leiden mit Verve bieten.

Links:

Edmund Stoiber - Große Momente, große Reden, große Freude

ØØØØØ

Antje Kunstmann (D 2007)


Bayerns König hat abgedankt, seine letzte wichtige Amtshandlung war das Trinken der ersten Wiesn-Maß 2007. Als Politiker werden wir ihn wohl nicht vermissen, als Humorist schon eher. Hans Well von der Biermösl Blosn hat Recht, wenn er sagt, daß Stoiber dieses Talent weiterhin nutzen sollte. Hoffentlich läßt er sich nicht in den Alt-Politiker-Container nach Brüssel abschieben ...

Der Mann, dem wir die Renaissance des "ä" verdanken, könnte stattdessen weiterhin, dieses Mal als Alleinunterhalter, durch die Bierzelte touren und damit noch mehr Geld verdienen als in seinem bisherigen Job. Auf dieser CD sind bekannte Kleinode (zum Beispiel die wunderbare "Transrapid"-Rede) und selten gehörte Meilensteine Stoiberscher Sprachkunst, beispielsweise zur Gartenarbeit, auf neun schlüssige Kapitel verteilt. Dazwischen spielen die Biermösl-Jungs, und Gerhard Polt trägt Erklärendes über den Oberaudorfer bei.

Was das Ganze mit Musik zu tun hat? Jede Menge: Die ureigene Sprachmelodie des Ex-Ministerpräsidenten ist bayrischer HipHop vom Feinsten, und die Inhalte sind so dadaistisch-verquer, daß sogar Blixa Bargeld dem Ede neidvoll huldigen müßte. Darüber hinaus ist Stoiber einer, der live jedes Publikum im Sturm erobert. Der König ist tot, es musiziere der König!

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