Musik_CD-Tips KW 16/08

Seltsame Paare

Ein wenig Blues, ein wenig modernes Chanson und Funk-Gebräu im Retro-Style - empfohlen sei, was Spaß macht. Und genau das tun diese drei CDs auf jeden Fall.    18.04.2008

Manfred Prescher

Camille - Music Hole

ØØØ 1/2

EMI (F 2008)

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Die 30jährige Pariserin Camille Dalmais war Mitglied der kultisch verehrten Formation Nouvelle Vague, die mit ihrer Version des Dead-Kennedys-Klassikers "Too Drunk To Fuck" auf dem Soundtrack zu Tarantinos "Death Proof" brillierte. Camille selbst war daran zwar nicht beteiligt, dafür arbeitete sie an der Musik zu "Ratatouille" mit. Sie komponiert und textet alles selber, was auch schon beim 2005er-Debüt "Le Fil" so war.

Die Stücke sind auch dieses Mal wieder sehr unterschiedlich, changieren zwischen Björk, Electro-Chanson und Disco-Groove. Letzterer gelingt besonders gut auf "Money Note", dem zentralen Song auf "Music Hole": In 6 Minuten und 22 Sekunden transportiert die Französin die guten alten Zeiten von Bernard Edwards und Nile Rodgers in unsere heutige Hedonisten-Ära. Eher zärtlich geht Camille bei "Winter´s Child" und "Home Is Where It Hurts" zu Werke. Diese Songs könnten glatt von Cat Power gecovert werden. Apropos Katze: Richtig süß sind die Tiergeräusche auf "Cats And Dogs". Generell ist das Album sehr vielseitig; verhaltenes Hauchen ("The Monk") steht neben kräftigeren HipHop-Rhythmen ("I Will Never Grow Up"), Sinnlichkeit trifft auf kühle Distanziertheit. Das Ergebnis ist auf jeden Fall spannend.

Links:

Dion - Son Of Skip James

ØØØØ

Blue Label/SPV (USA 2007)

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Daß Dion DuMuccis neues Album beim hauptsächlich für Doo-Wop-Sampler bekannten Blue Label veröffentlicht wurde, ist an sich logisch. Schließlich war der New Yorker anno dazumal der italienische König des Stimmwunder-Genres. Mit seinen Belmonts und auch solo hatte er riesige Hits, die vor allem eines waren - extrem geschmackssicher. "I Wonder Why", "Runaround Sue" oder der Doc-Pomus-/Mort-Shuman-Gassenhauer "A Teenager In Love" sollen als Beispiele genügen. In den späten 60er Jahren feierte er ein großes Comeback mit dem auch in der Marvin-Gaye-Version erfolgreichen "Abraham, Martin And John". Danach machte er, was er wollte - und das war oft Blues.

So gibt er sich im aktuellen Werk als Sohn des 1969 verstorbenen Delta-Blues-Pioniers Skip James aus. Unspektakulär schüttelt er den Groove aus den Stimmbändern, singt Klassiker wie Elmore James´ "Dust My Broom" ohne jede Anbiederung an die afroamerikanischen Vorbilder. Und genau das macht die Platte aus: Dions Blues ist - trotz aller stilistischen Nähe zu den Vorgaben - sehr eigen. Anspieltips sind das Titelstück und das famose "Baby I´m In The Mood".

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Gnarls Barkley - The Odd Couple

ØØØØ 1/2

Warner (USA 2008)

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Walter Matthau/Jack Lemmon bzw. Jack Klugman/Tony Randall waren im Kino und TV Oscar Madison/Felix Unger - und damit das eigentliche "Odd Couple": der eine lebensbejahend und schlampig, der andere depressiv und extrem reinlich. Aus dem Spannungsfeld dieser Figuren entwickelten sich sehr witzige Geschichten. Ähnlich verhält es sich wohl bei Thomas "Cee-Lo Green" Callaway und Brian "Danger Mouse" Burton, die nun schon zum zweiten Mal als Gnarls Barkley auf der Bildfläche erscheinen.

Wie schon beim erfolgreichen Vorgänger "St. Elsewhere" verbinden die ungleichen Partner auch dieses Mal wieder den speziellen Motown-Funk, mit dem die Temptations oder Undisputed Truth in den frühen 70er Jahren aufwarteten, mit P-Funk und Soul. Dazu ein wenig Spaghetti-Western-Style, Speedo-Weirdness, Hippie-Hop und Electro-Beats. Düster und schwer kommt "Would Be Killer" daher; die Single "Run" ist Hochgeschwindigkeits-Funk von der Sorte, deren Groove ins Hypernervöse übergeht. Ein echter Hit im Stil von "Crazy" ist eher "Going On", aber auch dieser Song ist zu eigen, um als Plagiat abgewatscht zu werden. Alles in allem ist "The Odd Couple" eine bunte Pralinenmischung, die man in Einzelstücken genießen sollte. Erst dann entfalten sich die einzelnen Tracks zu ihrer wahren Größe.

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