Musik_Die Schöpfung/Frühlingsstimmen

Spezialitäten aus dem Archiv

Nach der mißlungenen "Tristan"-Einspielung aus der Wiener Oper können sich Philharmoniker-Freunde wieder über zwei gelungene Neuerscheinungen freuen.    16.06.2004

Haydns "Schöpfung" begleitete Karajan sein ganzes Leben lang - und er hat diese Komposition auch mehrmals eingespielt. Die vor kurzem auf CD veröffentlichte Aufnahme aus dem Jahre 1965 ist ein Rundfunkmitschnitt von den Salzburger Festspielen. Und es ist wirklich erstaunlich, was die Tontechniker hier geleistet haben: Trotz der monophonen Aufnahmetechnik klingt diese Produktion weit besser als so manche digitale.

Interessant ist, daß sich Karajans Interpretation hier kaum von der zu Beginn der 80er Jahre entstandenen unterscheidet. Er läßt das gesamte Klangspektrum zu - ein Pianissimo ist deshalb kaum hörbar, während ein Fortissimo geradezu alles sprengt. Der Maestro verstand sich eben schon damals auf die Tonmalerei. Die Gewitter (einschließlich des Zuckens der Blitze) sind fühlbar, die Geräusche der Tiere bemerkenswert.

Glanzvoll ist auch die Sängerbesetzung: Gundula Janowitz begeistert mit einem glockenhellen Sopran, der (leider 1966 tödlich verunglückte) Fritz Wunderlich zeigt allzu deutlich, warum man ihn immer vermissen wird - und Hermann Prey gibt einen wunderbaren Adam. Der finnische Bassist Kim Borg hebt sich davon leider etwas ab, weil sein sonorer Baß in der Partie allzu grobschlächtig klingt; auch die deutsche Sprache dürfte nicht ganz sein Element gewesen sein...

Aus den Archiven stammt auch die vierte "Best of"-Scheibe der Wiener Philharmoniker mit dem Titel "Frühlingsstimmen". Konzipiert von Lukas Barwinski (Klassikchef der Universal Österreich) und ergänzt mit fundiertem Wissen des Ex-Klassikchefs Ewald Markl, ist diese Ausgabe mit Abstand die beste der bisher erschienenen. Und das liegt nicht nur an der interessanten Stückauswahl. Hier versteckt sich beispielsweise die mit Abstand beste Aufnahme von Igor Strawinskys "Le Sacre du Printemps". Lorin Maazel spielte 1972 in den Sofiensälen mit dem Wiener Meisterorchester die bis heute einzige Produktion dieses technisch extrem schwierigen Stückes ein: eine superb-brillante Aufnahme. Das beweist wieder einmal, wie genial Maazel immer schon war und daß seine Zeit als Direktor in der Oper mit zwei Jahren allzu kurz war. Unter Maazels Leitung blühen die Philharmoniker zur Hochform auf.

Weiters finden sich hier Werke von Vivaldi (aus den "Jahreszeiten"), Johann Strauss usw. - alles in allem echte Highlights des Wiener Meisterorchesters.

Herbert Hiess

Joseph Haydn -Die Schöpfung

ØØØØØ


Gundula Janowitz, Fritz Wunderlich, Hermann Prey, Kim Borg

Wiener Singverein; Wiener Philharmoniker/Herbert von Karajan

 

Deutsche Grammophon/Universal (D 2004)

Links:

Frühlingsstimmen

ØØØØØ

Best of Wiener Philharmoniker IV


Werke von Vivaldi, Johann Strauss, Igor Strawinsky usw.

Herbert von Karajan, Sir Georg Solti, Lorin Maazel usw.

 

Deutsche Grammophon/Universal (D 2004)

Links:

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