Joseph Haydn - 7 Londoner Symphonien
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DG/Universal (D 2009)
Sinfonia Concertante für Oboe, Fagott, Violine und Cello
Ouvertüre zur Oper "Il mondo della luna"
Chamber Orchestra of Europe/Claudio Abbado
Mag sein, daß Ihnen die unzähligen Elogen schon auf die Nerven gehen - aber einige Wiederauflagen aus den Tonarchiven der Plattenindustrie erzwingen geradezu eine nähere Betrachtung. Klassikexperte Herbert Hiess würdigt noch einige andere Jubilare, verziert mit passender Literatur. Lesen Sie weiter, es zahlt sich aus! 22.06.2009
Das halbe Jahr 2009 ist noch nicht einmal verstrichen - und die Leser, Seher und Hörer diverser Medien werden mit Platitüden und sinnlosen Wortspielen über Joseph Haydn (wie "Haydn-Arbeit", "Haydn-Spaß") geradezu gequält. Auf derartiges verzichtet der EVOLVER gern (na ja, fast; Anm. d. Red.) und liefert stattdessen ernsthafte und seriöse Aussagen.
Nikolaus Harnoncourts großartige Aufnahme des Oratoriums "Die Jahreszeiten" wurde hier schon erwähnt. Mittlerweile ist zu diesem Werk im Residenz-Verlag ein bemerkenswertes Buch mit dem Titel "Mit einem Fuß in der Frühlingswiese" erschienen. Die Autorin Sabine M.(aria) Gruber ist seit vielen Jahren Mitglied im Arnold Schoenberg Chor und hatte natürlich Gelegenheit, dem Dirigenten nicht nur auf die Hände, sondern auch auf den Mund zu schauen. Ihre Wahrnehmungen und viele private Gespräche mit dem Maestro führten zu Frau Grubers Buch, das man dem "Phantastischen Realismus" zuordnen möchte, auch wenn es den in der Literatur vielleicht nicht gibt. Schon die Einleitung macht neugierig. In einem Interview unterhalten sich Frau Gruber und Joseph Haydn über Mozart, Harnoncourt und vor allem über den Hype der "Schöpfung" und den (vermeintlichen) Mißerfolg der "Jahreszeiten". Spätestens da wird klar, daß nicht die Qualität über den Erfolg entscheidet, sondern ganz einfach Gesellschaft, Politik usw.
In zwölf Kapiteln bringt Gruber Texte des Oratoriums in literarische Zusammenhänge. Aufgelockert wird das Buch durch witzige Illustrationen und viele Harnoncourtsche Probenzitate. Ein Buch, das Freude macht und uns eine großartige und intelligente Autorin vorstellt.
Nach diesem literarischen Ausflug aber nun zurück in die Tonträgerwelt und die Archive, wo nach und nach interessante Wiederauflagen die Regale füllen - so etwa eine 4-CD-Box mit einer Auswahl der "Londoner Symphonien", einer Ouvertüre und der "Sinfonia Concertante" mit dem Chamber Orchestra of Europe (COE) unter Claudio Abbado. Die vorliegende Aufnahme erweckt beim Anhören eine gewaltige Sehnsucht auf ein Wiedersehen und -hören mit und von Abbado in Wien. Interessant, wie er mit den Aufnahmen viele Originalklang-Apostel sofort ins Eck der Bedeutungslosigkeit stellt. Ob die "Symphonie mit dem Paukenwirbel" (Nr. 103) oder die Janitscharen-Musik der "Militärsymphonie" (Nr. 100) - das COE mit "modernen" Instrumenten spielt mit einer Präzision, Forschheit und Musikalität, die man vielen alteingesessenen Ensembles nur wünschen würde. Dank der großartigen Aufnahmetechnik und der grandiosen Musiker kann man diese Produktion als Spitzenklasse bezeichnen.
Ein anderes "must have" in Sachen Haydn ist die 12-CD-Box mit Aufnahmen unter Leonard Bernstein. Vielen ist nicht bewußt, daß Bernstein einer der besten und größten Haydn-Dirigenten war. Er bewies sowohl bei den "Londoner Symphonien" als auch bei den "Pariser Symphonien", bei den Messen (phantastisch die "Nelsonmesse") und dem Oratorium "Die Schöpfung", daß er total in die Welt Haydns eintauchen konnte. Mit welcher Grazie, welchem Witz und welcher Ironie der amerikanische Maestro Haydns Musik bereicherte, das sucht seinesgleichen.
Neben Joseph Haydn ist heuer Felix Mendelssohn Bartholdy an der Reihe, der im gleichen Jahr geboren wurde, in dem Haydn starb. Als deutscher Romantiker hat Mendelssohn nicht die "Schwere" eines Johannes Brahms, sondern eher die Leichtigkeit eines Rossini - obwohl er durchaus zur Melancholie neigte. Natürlich gibt es auch von ihm viele Neuaufnahmen und -erscheinungen. Hier sei trotzdem die Wiederauflage der Gesamtaufnahme seiner Symphonien mit dem London Symphony Orchestra unter Claudio Abbado erwähnt. Neben Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern rangiert diese Produktion unangefochten an der Spitze. Abbado trifft bei allen fünf Symphonien perfekt die Melancholie und vergißt trotzdem niemals auf den gewissen Esprit und die Leichtigkeit.
Bibliophile Musikfreunde seien auf das Buch "Goethe und Felix Mendelssohn Bartholdy" von dessen erstem Sohn Dr. Karl Mendelssohn Bartholdy verwiesen. Der Junior berichtet darin unter anderem auf spannende Weise von der ersten Begegnung des großen Brahms mit dem erst zwölfjährigen Mendelssohn Bartholdy; hier wird auch klar, wie stark der geistige Einfluß von Brahms auf Mendelssohn war.
Apropos Wiederauflagen: Nächstes Jahr begeht Leonard Bernstein seinen 20. Todestag. Sony legt zu diesem Anlaß die Gesamtaufnahme aller Symphonien von Gustav Mahler (inklusive dem "Lied von der Erde") auf. Natürlich muß nicht erwähnt werden, was Mahler und Bernstein bedeuten. Deshalb sei diese Produktion allen Musikfreunden ans Herz gelegt.
Joseph Haydn - 7 Londoner Symphonien
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DG/Universal (D 2009)
Sinfonia Concertante für Oboe, Fagott, Violine und Cello
Ouvertüre zur Oper "Il mondo della luna"
Chamber Orchestra of Europe/Claudio Abbado
Carnegie Hall Present Bernstein - Mahler Symphonies
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Sony Masterworks (D 2009)
div. Chöre und Solisten
New York Philharmonic, London Symphony Orchestra/Leonard Bernstein
Leonard Bernstein Conducts Haydn
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Sony Masterworks (D 2009)
"Die Schöpfung", Symphonie Nr. 88 in G-Dur, Hob. 1: 88, Pariser Symphonien, Londoner Symphonien, Paukenmesse, Nelsonmesse, Theresienmesse
div. Chöre und Solisten
New York Philharmonic/Leonard Bernstein
Dr. Karl Mendelssohn Bartholdy - Goethe und Felix Mendelssohn Bartholdy
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Reprint der Originalausgabe von 1871
Staccato Verlag
Sabine M. Gruber - Mit einem Fuß in der Frühlingswiese
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Ein Spaziergang durch Haydns Jahreszeiten mit Sprachbildern von Nikolaus Harnoncourt
Illustrationen von Thomas Luczynski
Residenz Verlag
Felix Mendelssohn Bartholdy - Fünf Symphonien
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DG/Universal (D 2009)
Meeresstille und glückliche Fahrt
div. Solisten, London Symphony Chorus
London Symphony Orchestra/Claudio Abbado
Hören darf man heuer auch ganz ohne Maske. Grund genug für den EVOLVER-Klassikexperten Herbert Hiess, seine Musiktips für die Weihnachtszeit unter den virtuellen Christbaum zu legen.
Nicht nur Thomas Angyan, der zukünftige Ex-Chef des Wiener Musikvereins, hätte sich den Abschluß seiner Karriere - ebenso wie Staatsoperndirektor Dominique Meyer - anders vorgestellt. Wie so viele Kulturschaffende gingen beide der angeblichen Pandemie in die Falle.
Wer Rudolf Buchbinder ist, braucht man eigentlich niemandem mehr zu erklären. Der sich im 74. Lebensjahr befindende Star-Pianist ist in Kulturkreisen weltweit ein Begriff - und vor allem in Sachen Beethoven eine Kapazität, an der man nicht vorbeigehen kann und darf.
Pech oder Schicksal - wie auch immer man es bezeichnen mag: Daß die großartige Berliner "Carmen" schon nach der zweiten Aufführung von Amts wegen gestoppt werden musste, hätte sich niemand gedacht. Jetzt kann man sie wohl einige Zeit nur als Stream oder Aufzeichnung betrachten. Die Staatsoper unter den Linden zeigt mit ihr jedenfalls, daß sie dank ihrer hervorragenden Musiker viele der angeblichen Spitzenhäuser übertrifft.
Wie Political Correctness als brutale Verlogenheit entlarvbar ist, zeigt das Stück "Der Vorname" des Autorenduos Patellière und Delaporte. Herbert Hiess hat es in den Kammerspielen erlebt.
Alle Jahre wieder ... kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch der "Streß", der oft zu Geschenkskäufen in letzter Minute führt. Um Verlegenheitsgaben wie Socken oder Bonbonnieren zu umgehen, hat der EVOLVER-Klassikexperte einige Tips zusammengestellt, die nicht nur eingefleischten Klassikliebhabern Freude bereiten werden.
Kommentare_
Nächstes Jahr begeht Leonard Bernstein seinen 20. Todestag.???? da wird er sich aber doch schwer tun ! ein besuch des Greenwood Cemetery in Brooklyn wäre sehr interessant. vorzugsweise um mitternacht