Musik_CD-Tips KW 49/07

Eine stimmige Angelegenheit

Die Sprache als Instrument, die Worte als Klangbild - bei diesen drei Platten führt die Stimme durch die Songstrukturen und läßt uns den Inhalt auf besondere Art erschließen.    07.12.2007

Manfred Prescher

Helge Schneider - Akopalüze Nau

ØØØ 1/2

EMI (D 2007)

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Es ist natürlich fast schon Allgemeingut, muß aber an dieser Stelle noch einmal festgehalten werden: Helge Schneider ist ein Gesamtkunstwerk, das besonders gut live funktioniert. Man muß den Mann aus Mülheim/Ruhr entweder inmitten seiner immensen Sammlung alter Polydor-Singles und seiner heißgeliebten Gegenstände aus der Ära des Gelsenkirchener Barock oder eben im Konzertsaal sehen, hören und auf sich wirken lassen. Weil kaum jemand zu Helge vorgelassen wird, ist letzteres meist die einzig mögliche Option.

Insofern ist es auch kein Wunder, daß "Helge Popelge" uns immer wieder mit Live-Mitschnitten beehrt. Insofern macht man als Schneiderianer nix falsch, wenn man sich "Akopalüze Nau" besorgt. Es bietet dufte Songs, schöne Improvisationen vom Jazz-Großmeister unter den Komischen und lustige Impro-Geschichten vom Komiker-Großmeister unter den Jazzern. Allerdings wäre ein kompletter Gig auf Konserve, so wie zuletzt 2004 bei "Füttern verboten", viel besser. Weil nicht nur Helge, sondern auch ein Gig mit ihm ein Gesamtkunstwerk ist. Aber ich will nicht mäkeln, da ihm neben den Stücken der letzten Studio-CD "I Brake Together" besonders die Versionen von "Fly Me To The Moon" und "It Don´t Mean A Thing" gelungen sind.

Links:

Etta Scollo - Les Sicilens

ØØØØ

Soulfood (I 2007)

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Man stelle sich vor, aus Genen von Ella Fitzgerald, Björk und Diamanda Galas würde unter Beimengung von Cesaruolo eine neue Person zusammengebaut. Herauskommen würde dann wohl Etta Scollo - eine einzigartige Künstlerin, die Geschichten mit einer sehr intensiven, unverwechselbaren Stimme erzählt. In vielen ihrer Texte geht es dabei um ihre sizilianische Heimat, die eben nicht nur für "Allein gegen die Mafia" steht.

Auf dem neuen Live-Album bietet Etta einen geschichtlichen Rückblick, der weit mehr ist als eine Historien-Revue. Sie singt, schreit und gurrt durch Legenden wie der des Fischmenschen Colapesce, der verhindert, daß die Insel im Meer versinkt. Wie bei Björk erklären diese Mythen weit mehr als Fakten; die Isländerin ist eine Tochter in Ettas Geiste, allerdings ist das Instrumentarium der Frau von der Südspitze Europas deutlich karger. Das Ergebnis ist ein traumhaft schönes, ebenso intensives wie intimes Kammerspiel mit Blues-Anteil - und weit weg von ihrem Beatles-Cover "Oh Darling", mit dem sie vor knapp 20 Jahren einen Nummer-1-Hit in Österreich hatte.

Links:

Soulja Boy Tell ´Em - Souljaboytellem.com

ØØØØ 1/2

Universal (USA 2007)

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Gerade mal 17 Jahre alt ist der Soulja Boy und doch schon die Hoffnung des HipHop. Was natürlich auch daran liegt, daß das Genre intellektuell und musikalisch auf niedrigem Niveau stagniert. Der Junge aus Chicago ist aber wirklich ein Guter - einer, der seine irren Wortspiele über ein fast schon Old-School-artiges Beatgerüst legt. Das klingt mehr nach Schoolly D oder dem frühen Kool Moe Dee als nach 50 Cent, und das ist wirklich gut.

In der Reduzierung liegt die Stärke von Soulja Boy, da man sich so auf die rauhe Sprachmelodie des hochtalentierten Youngsters konzentrieren kann - und auf die Sound-Miniaturen, die der Groove trotz seiner Kargheit beeinhaltet. Wer will, kann neben Funk und Wild-Style-Rhythms auch Ragga-Styles herausfiltern. Aber das ist kein Wunder, wenn sich einer Soulja nennt. Das Wort beinhaltet neben "Soldier" schließlich auch "Soul" und "Jah". Als Anspieltips dieses famosen Zweitlingswerks empfehle ich die Rough-Rider-Singles "Crank Dat (Soulja Boy)" und "Let Me Get ´Em (Shootout)", sowie das durchgeknallte Neo-P-Funk-Stück "Donk".

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