Musik_CD-Tips KW 06/08

Don´t believe the hype?

Wie sagte schon Pumuckl? Genau: "Was sich reimt, ist gut!" Weniger gut sind jedoch Hypes aller Art, die spätestens seit den Tagen des großen Chuck D. als Zeichen fragwürdiger Qualität gelten.    08.02.2008

Manfred Prescher

Hot Chip - Made In The Dark

ØØØ 1/2

EMI (GB 2008)

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Die Grenzen zwischen unreflektiertem Medienrummel und einem Meisterwerk, das überall zu recht hymnisch besprochen wird, sind oft fließend. Das Album "The Warning", mit dem die Londoner Formation Hot Chip 2006 zunächst in UK, dann auch hierzulande in aller Trendsetter Munde war, überquerte die Barriere mehrmals in beide Richtungen: Tracks wie "Over And Over" oder "Arrest Yourself" waren auf jeden Fall Electro-Pop-Highlights der intelligenteren Art. Bei Lichte betrachtet galt das aber nicht für alle der hochgelobten Stücke. (Anm. d. Chefred.: doch!) (Anm. d. Herausgebers: na ja ...)

"Made In The Dark" hinterläßt einen weniger zwiespältigeren Eindruck, da sich die CD nicht mal die Mühe gibt, innovativ zu klingen, und ganz ohne Gedaddel auskommt. Weil Hot Chip also nicht mehr die Style-Sucher, sondern den Otto-Normal-iTunes-Kunden erreichen will, sind die Tracks nun wirklich Songs, ergo bündig auf Eingängigkeit produziert. Manchmal erinnert das dann an Heaven 17, zum Beispiel bei "Out At The Pictures", manchmal an frühe Depeche Mode ("One Pure Thought"). Die 80er sind allgegenwärtig - auch in ihrer zuckersüßen Klebrigkeit. Unterhaltsam ist "Made In The Dark" auf jeden Fall, aber für verdienten Hype nicht genial genug.

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These New Puritans - Beat Pyramid

ØØØØ

Domino Records/Indigo (GB 2008)

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Ein puritanisches Dasein ist etwas für Menschen, die glauben, daß es nach oder während der finalen Wurmkur mit einem befriedigenden Leben auf Wolke sieben weitergeht. Die New Puritans aus dem englischen Southend sind allerdings ein anderer Schlag von Leutchen: sehr hedonistisch, diesseitig und richtig cool. Ihre Beat-Pyramide lädt ein zum Tanz um das golden glänzende Kalb der Lebensfreude.

Sehr punkig und lustig, von Gareth Jones (Depeche Mode, Einstürzende Neubauten) stimmig, weil nicht überladen produziert, ist das Album ein vor Saft und Kraft strotzendes Werk juveniler Ideenvielfalt: 16 Songs, die sofort ins Ohr gehen und mit ihrer charmanten Art zugleich perfekt und unfertig wirken. Herausragend sind das auch rhythmisch vertrackte "C.16" oder der breakbeatige Hit "Swords Of Truth". Sänger Jack Barnett ist ein echter Band-Diktator, der mit seiner Stimme dominiert und gern - wie zum Beispiel in "Elvis" - den Mund sehr voll nimmt. Und das funktioniert nicht erst seit den Tagen der Gallaghers immer wieder prächtig.

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Morcheeba - Dive Deep

ØØØ 1/2

Play It Again Sam/Rough Trade (GB 2008)

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Gibt´s die immer noch? Eigentlich sollte mit der "Platinum Collection" von 2006 das Kapitel Morcheeba ja zu Ende geschrieben worden sein. Das im Jahr vorher veröffentlichte "The Antidote" war nämlich - äähhh - nicht gerade das Gelbe vom Ei. Was auch daran lag, daß loungiger TripHop in den zehn Jahren seiner Existenz keine Entwicklung durchlaufen hat. Es blubberte immer badewasserschaumig in der von Soul II Soul vorgewärmten Wanne. Paul und Ross Godfrey, die Köpfe hinter Morcheeba, waren natürlich nach wie vor gut und clever genug, um nicht in völliger Belanglosigkeit abzusaufen.

"Dive Deep" ist allerdings besser als "Antidote", was zwei Gründe hat: Erstens setzen die Godfreys dieses Mal auf mehrere, sehr unterschiedliche Sänger, darunter mit Cool Calm Pete und dem Norweger Thomas Dybdahl auch auf Männer, was eine größere Unterscheidbarkeit der Tracks ermöglicht ("Stay With Me Till Dawn"). Und zweitens ist es heute, mit größerem zeitlichen Abstand, wieder leichter möglich, die massive Attacke zu reiten. "Dive Deep" ist so altmodisch, daß man Stücke wie den Elektro-Folk-Rap-Groove "One Love Karma" oder das von Judie Tzuke soulful gesungene "Enjoy The Ride" wieder ohne schalen Beigeschmack hören kann. Highlights sind die drei mit Dybdahl eingespielten Songs, besonders das sehr eingängige "Washed Away".

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