Musik_CD-Tips KW 09/08

Privat? Pirat!

Diese Woche stehen hoffnungsvolle Newcomer und ein Hamburger Haufen alter Recken im Mittelpunkt. Eines haben alle drei CDs gemeinsam: sie sorgen für unterhaltsame Momente.    29.02.2008

Manfred Prescher

Pete & The Pirates - Little Death

ØØØ 1/2

Stolen/Import (GB 2008)

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Das Ding fiel mir gestern beim Import-Dealer meines Vertrauens in die Hände. Gekauft habe ich die Platte spontan, weil mich das Cover an liebgewonnene Schätzchen aus dem Wild-Billy-Childish-Umfeld erinnerte - und weil der Bandname so richtig doof ist. Die Musik hat mich dann aber angenehm überrascht, weil sie stark nach Arcade Fire klingt und auch nach Babyshambles und Arctic Monkeys. Neu ist diese Mixtur also nicht, aber sie sorgt für Spaß. Außerdem muß man nicht immer das Vinyl neu erfinden.

"Little Death" ist ein Sammelsurium gut umgesetzter Ideen anderer. So klingt "I´ll Love" nach den Futureheads, während "She Doesn´t Belong To Me" von Belle & Sebastian stammen könnte. Und die La´s standen bei "Knots" Pate. Aus den Referenzen machen Pete und seine Freibeuter ein Album, das beweist, daß sich Diebstahl lohnt - zumindest, wenn man keine eigenen Ideen hat. Also höret meine Worte: "Little Death" wird demnächst zum absoluten Hype.

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Fettes Brot - Strom und Drang

ØØØØ

Fettes Brot/Indigo (D 2008)

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Eigentlich sollte die "Strom und Drang"-Phase bei den Broten längst vorbei sein. Immerhin sind König Boris, Doktor Renz und Björn Beton schon seit 1992 im Geschäft. Schon zu Beginn ihrer Karriere waren die Nordlichter viel klüger als der erbärmliche Rest vom Schüttelreimfest und daher manchmal auch wirklich lustig. Albumtitel wie "Außen Top Hits, Innen Geschmack" oder "Auf einem Auge blöd" und echte Hits wie "Jein", "Männer" oder "Schwule Mädchen" zeugten vom Können des Trios. Fettes Brot schafften es immer wieder, vom Kalauer zu geistreicher Philosophie zu kommen - und natürlich ging das bei ihnen auch umgekehrt. Ihr Flow ist einzigartig, Rhymes und Beats fassen den Begriff HipHop so weit, daß alles, gänzlich ohne Sell-out-Hintergedanken, möglich ist.

Das gilt auch für das neue Album, das erstaunlich Old-School-mäßig klingt, lauter und weniger poppig ist. Lustig ist es natürlich auch, zum Beispiel im ebenso wahren wie grammatikalisch falschen "Der beste Rapper in Deutschland ist offensichtlich Ich". Aber Fettes Brot sind keine Kasperl, was sie mit "Das traurigste Mädchen der Stadt", dem schönsten Track der Platte, und mit "Automatikpistole" beweisen.

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Laura Marling - Alas I Cannot Swim

ØØØØ

EMI (GB 2008)

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Eben war mir ihr "Ghosts" noch ein sachtes Miststück wert, postwendend hat die Industrie ein Einsehen und legt mir das Debütalbum der blutjungen Britin vor. Meine in der Kolumne angedeutete Neugier wird also befriedigt - und wie: Diese Stimme ist einfach wunderschön, sehr klar und rein. Irgendwie verkörpert Laura Marling all die Schönheit, die in der Provinz, also im Verborgenen, blüht. So eine Lady müßte sich doch nicht nur in Berkshire, sondern auch im hintersten Niederbayern oder dort, wo in Tirol die Welt mit Skibrettern vernagelt ist, finden lassen. Dem ist aber wahrscheinlich nicht so.

"Alas I Cannot Swim" ist Landpomeranzen-Folk, aber eben nicht im Sinne von "I gfrei mi". Die Lieder sind in sich gekehrt ("My Maniac And I"), nachdenklich ("Failure") und Teenager-mäßig romantisch. Sanfte Melodien sind auf fast schon unzeitgemäße Weise eingängig, wie nicht nur die Single "Ghosts" belegt. Selbst Avril Lavigne wirkt dagegen flott und chaotisch. Joni Mitchell, die junge Kate Bush und die große Sandy Denny sind Laura Marling wesensnäher - man höre nur mal "Tap At My Window" und "Cross Your Fingers".

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Kommentare_

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