Musik_CD-Tips KW 19/08

Back for good

Aller guten Dinge sind drei - zumindest für Portishead gilt diese alte Volksweisheit unbedingt. Der Rest des Wochenprogramms ist eher unspektakulär.    09.05.2008

Manfred Prescher

Portishead - Third

ØØØØØ

Universal (GB 2008)

Leserbewertung: (bewerten)

Elf Jahre gehen selbst an dem beschaulichen Ort Portishead in North Somerset nicht spurlos vorüber. Auch das gleichnamige Projekt von Geoff Barrow, Adrian Utley und Beth Gibbons hat sich in der Zeit seit dem 1997er-Album "Portishead" logischerweise weiterentwickelt - und zwar drastisch. Vom intelligenten TripHop und dem Bristol-Style ist nicht mehr viel übrig, wärmere Tracks im Stile von "All Mine" oder "Glory Box" sucht man auf "Third" vergebens. Die Liebe zum Krautrock ist zwar noch zu spüren, wird aber von einer dominanten Maschinenkälte überlagert, und der fehlt die Kraftwerksche Fortschrittsgläubigkeit.

Beth Gibbons öffnet Pandoras Büchse und warnt mit unheilschwangerer Stimme vor der Zukunft, die sicher genauso unberechenbar ist wie das neue Portishead-Album. Ausnahme ist der positive Kontrapunkt "Deep Water", dessen wohliger Ansatz schon mit den ersten gespenstisch-verstörenden Tönen von "Machine Gun" verjagt wird. Der sperrige Elektrobeat-Song wurde als Single ausgekoppelt, weil er sich der Vereinnahmung durch die Groove-Jünger verschließt. Die kommen wiederum am ehesten bei "Magic Doors" auf ihre Kosten.

Portisheads Kunst bestand schon vor einem Jahrzehnt darin, Spannungen konsequent auf- und abzubauen. Aktuell gehen sie damit bis an die Schmerzgrenze und schaffen so ein Sound-Gemälde von überdimensionaler Größe. Der Bogen reicht vom hektischen Nervenzusammenbruch von "Nylon Smile" bis zum ozeantiefen "The Rip" und dem finalen Ruhepol "Threads". Das Album ist so gigantisch wie Langs "Metropolis" und ähnlich pessimistisch. Fragt sich, wie die Welt in weiteren elf Jahren aussehen wird ...

Links:

Scarlett Johansson - Anywhere I Lay My Head

Ø 1/2

Warner (USA 2008)

Leserbewertung: (bewerten)

"Anywhere I Lay My Head" ist einer der schönsten Songs auf dem phantastischen Tom-Waits-Album "Rain Dogs". Hollywood-Star Scarlett Johansson ("Lost In Translation", "Match Point") nimmt den Titel als Aufhänger für ihre erste CD voller Waits-Coverversionen. Die Auswahl ist geschmackvoll und einer Diva würdig. US-Schauspieler können meist recht ordentlich singen, für die gebürtige New Yorkerin gilt das aber nur bedingt. Aber das macht den Charme von Scarletts Vortrag auch aus: Irgendwo zwischen Nico und Marianne Faithful angesiedelt, wäre die Stimme eigentlich ideal für die Songs von Tom Waits. Allerdings wird der Ungesang durch die immergleiche Billig-Synthie-Orgel zerstört. Da helfen auch die beiden Einsätze von David Bowie bei "Falling Down" und "Fannin´ Street" nicht mehr. Schade, Chance vertan!

Links:

Isobel Campbell & Mark Lanegan - Sunday At Devil Dirt

ØØØ

Universal (GB 2008)

Leserbewertung: (bewerten)

Schottland trifft die USA, Belle And Sebastian die Screaming Trees. Das Ergebnis ist bereits zum zweiten Mal eine ruhige, dieses Mal fast schon zu ruhige Platte, die verdammt nach Sinatra/Hazlewood klingt. Das ist natürlich nicht schlimm. Im Gegenteil: Auf "Ballad Of The Broken Seas", dem gemeinsamen Debüt von Campbell und Lanegan, funktionierte die bewährte Mischung bei "(Do You Wanna) Come Walk With Me", "Black Mountain" und "Revolver" besonders gut. Während man einander damals nicht persönlich traf, sondern Sound-Files über den großen Teich hin- und herschickte, stand sich das ungleiche Duo dieses Mal in Glasgow gegenüber. Geändert hat das nichts, außer daß die magischen Momente zwischen Isobels Campbells ätherischer Stimme und dem verlebt-tiefen Knurren von Mark Lanegan überraschenderweise weniger geworden sind. "The Flame That Burns" oder "Keep Me In Mind, Sweetheart" sind allerdings wieder richtig schön. Komplett gehört ist "Sunday At Devil Dirt" eher langweilig, in kleinen Dosen genossen entfalten manche Songs aber doch ihre Wirkung.

Links:

Kommentare_

Kolumnen
Fundamentalteilchen 17/417

Alte Freunde, neue Zeiten

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 17. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ina Müller.
 

Kolumnen
Fundamentalteilchen 16/416: Der Winter steht vor der Tür

Wolle mer ihn reinlasse?

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 16. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Deine Freunde.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 15/415: Der vermaledeite Brummschädel

Das ewige Kommen und Gehen

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 15. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ava Vegas.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 6/406: Haruki, Elvis und ich

Literatur ist es, wenn man trotzdem lacht

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die sechste Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Elvis Costello.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 5/405: Seit sieben Wochen keine komischen Streifen am Himmel und jeder dreht durch

Angriff der Kichererbsen

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die fünfte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Lana Del Rey.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 4/404: Mach nicht so viel Wind, mein Kind

Wenn es draußen stürmen tut, ist das Wetter gar nicht gut

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die vierte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Charlotte Brandi & Dirk von Lowtzow.