Musik_CD-Tips KW 34/07

Daheim ist´s doch am schönsten?

"Wherever I lay my hat, that´s my home", hieß es schon bei Marvin Gaye. Die drei Künstler, die diese Woche vorgestellt werden, haben eine sehr eigene Vorstellung von einem richtigen Zuhause.    24.08.2007

Manfred Prescher

Richard Hawley - Lady´s Bridge

ØØØØØ

Mute/EMI (GB 2007)


An und für sich ist es ja nichts Besonderes, aus einer mittelgroßen Stadt wie Sheffield zu stammen. Auch andere kommen aus Halbmillionenstädten - so wie der Autor dieser Besprechung, der ein echter Nürnberger ist. Und gerade deshalb versteht, warum Hawley nirgendwo sonst leben möchte und die Reisen zu fernen Orten möglichst rasch beendet. Dieses "Daheim ist´s doch am schönsten"-Feeling hat einen Vorteil: Man hebt nicht ab, entwickelt sich mit dem Umfeld und mutiert nicht zum Britpop- oder Sonstwas-Klon. Man kann das aber auch negativ sehen und formulieren, daß man so nie flügge wird und es nie nach ganz oben schaffen kann. Weil sich auch in unserer globalen Welt alles in den Megalopolen abspielt.

Bei Hawley äußert sich die Bodenständigkeit seit jeher in einer ziemlichen Ruhe, die selbst von den schnelleren Songs ausgeht. Diese Verwurzelung ist auch in den verzweifelten Momenten zu hören. Als Reminiszenz an die Homebase trägt "Lady´s Bridge" – wie schon das Vorgängeralbum "Coles Corner" - den Namen einer Sheffielder Örtlichkeit. Der Unterschied: Die neue CD schleppt sich maximal in den Bereich von unterem Midtempo, ist auf ihre Art also ziemlich chillig geworden.

War Hawley bislang die perfekte Synthese aus Morrissey und Lee Hazlewood, so neigt sich die Waagschale diesmal eindeutig in Richtung des eben verstorbenen Großmeisters. Mit sonorer Stimme führt der Engländer durch feine Kompositionen, die auch in den Arrangements an das Vorbild erinnern. "The Dark Road", das es in einer etwas schwächeren Version schon als Single-B-Seite gab, "Tonight The Streets Are Ours", "Lady Solitude" oder auch das Titelstück sind schön traurig und gleichzeitig voller warmer, tröstender Molltöne - so wie in Hazelwoods besten Momenten.

Links:

Manu Chao - La Radiolina

ØØØ

Warner (F 2007)


Im Gegensatz zu Richard Hawley ist José-Manuel Thomas Arthur Chao, besser bekannt als Manu Chao, ein echter Kosmopolit. Der in Paris geborene Sohn einer Baskin und eines galizischen Musikers lebt in Brasilien, Spanien und Südfrankreich. Auch musikalisch ist der ehemalige Kopf der Ethno-Spaß-Punks Mano Negra ein Weltmann: Reggae, Salsa, Sado, baskische Folklore, Pop, Rap, Afro-Elemente - er verbindet alles zu einer Mischung, die meistens nett groovt.

Manchmal klingt "La Radiolina", Chaos erstes Album seit 2001, allerdings zu beliebig ("Mama Cuchara"), manchmal zu sehr nach Muzak für den Dritte-Welt-Laden ("Politik Kills", "The Bleedin´ Clown"), und manchmal meint man, daß man für das babylonische Sprachgewirr einen Universalübersetzer braucht, aber insgesamt ist die Mehrzahl der 21 Stücke erfreulich: richtige Sommer-Sounds voll flirrender Lebensfreude. Schade nur, daß es gerade anhaltend regnet. Aber die nächste Hitzewelle kommt bestimmt - dann wird "La Radiolina" sicher eingesetzt. Denn ein wenig political correctness kann besonders am Baggersee nicht schaden. Zwischen all den Dumpfbacken-DJ-Ötzis macht sich der verschrobene Charme des Manu Chao und seiner musikalischen Weltreise besonders gut.

Links:

Dean Martin - Forever Cool/Collaborations

Ø 1/2

Capitol/EMI (USA 2007)


Dean Martin war der Legende nach immer da zu Hause, wo schöne Frauen und gepflegte Drinks warteten. Egal, wie sehr er den Mythos zu Lebzeiten schon mochte, manchmal ist es dennoch ein Fluch, wenn einer wie er tot ist: Da Dino nun schon seit mehr als elf Jahren nicht mehr unter den Bourbon-Fans weilt, hat er leider keine Möglichkeit mehr, sich gegen die aktuelle Abzocke einer seiner beiden Haupt-Plattenfirmen zu wehren.

Capitol Records hat nämlich mit modernster Technik das getan, was bei Natalie Cole und ihrem damals ebenfalls längst verblichenen Dad zumindest ansatzweise funktioniert hat: einfach die alten Aufnahmen mit neuen Gesangsspuren ergänzt. Daß das Ergebnis eher fade klingt und man daher aus jeder Strophe zu den Noten auch Dollar-Zeichen heraushören kann, liegt nicht so sehr an der Auswahl der Stücke. Die geht nämlich über die üblichen Hits hinaus: "Who Was That Lady", "Braham´s Lullaby", das Dino alleine singen darf, oder "Baby-O" gehören zu den seltenen Songs auf Dean-Martin-Compilations.

Es liegt auch nicht an den beteiligten Künstlern, da die meisten durchaus adäquate Partner für den lebenden King of Cool gewesen wären: Charles Aznavour in einer schönen Version von - ausgerechnet - "Everybody Loves Somebody", die Neo-Swinger Big Bad Voodoo Daddy, Joss Stone, Hollywood-Star Kevin Spacey, das Capitol Studio Orchester oder auch der unvermeidliche Robbie Williams machen ihre Sache nicht schlecht. Trotzdem swingt das Ganze nicht wirklich - was daran liegt, daß Dinos Geist nicht über den Aufnahmen schwebte. "Forever Cool" bleiben nur die Originalaufnahmen. Und damit basta.

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