Musik_CD-Tips KW 25/08

Königreichstag

Reif für die Insel? Drei neue CDs aus dem Mutterland des Brit-Pop sollen den Hunger nach frischen Hits stillen. Doch wie gut stehen die Chancen dafür wirklich?    20.06.2008

Manfred Prescher

Sam Sparro - Sam Sparro

ØØ 1/2

Universal (GB 2008)

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Geboren wurde Sam Sparro in Sydney, aufgewachsen ist er in Los Angeles, wo er immer noch lebt. Seinen Durchbruch als veritabler Popstar schaffte er aber im Vereinigten Königreich - und zwar mit dem Sommer-Hit des Jahres: "Black And Gold" swingt locker und groovig, ist ein derartig gekonnt zusammengeklautes Sammelsurium an Zitaten, daß der Sprung an die Charts einfach klappen mußte. In UK ist das Lied nun schon seit Monaten vorne mit dabei, aber die Spatzen werden es definitiv auch im Juli/August noch von den Dächern pfeifen, wahrscheinlich sogar in unseren Breiten. Sparro könnte tatsächlich "this year´s Mika" werden.

Allerdings hält das Debütalbum bei weitem nicht, was der Über-Hit verspricht. Aus dem farbenfrohen Stilmix ragen das elegante "Cottonmouth" und der schillernde Disco-Track "21st Century Life" heraus, bei dem Sparro Sylvester mit Marc Bolan verbindet, dazu eine große Prise Human League plus eine noch größere von Prince ("Dirty Mind") beifügt. Daneben gibt´s aber auch faden Jamiroquai ("Cut Me Loose") oder den mißratenen James-Brown-trifft-80er-Jahre-Song "Hot Mess". Insgesamt geht das Album zwar in Ordnung, aber weniger ist manchmal mehr.

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The Ting Tings - We Started Nothing

ØØØ 1/2

SonyBMG (GB 2008)

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Mit dieser Platte ist es irgendwie eine Crux. Beim ersten, zweiten und dritten Hören des Debütalbums von Katie White (die von TKO) und Jules De Martino konstatierte ich wohlwollend "ganz nett, aber belanglos". Mittlerweile berieselt mich meine Gattin jedes Mal, wenn ich ihren iPod mit dem Autoradio verbinde, mit "We Started Nothing" - und ich komme nicht umhin, die catchy Hooklines von "That´s Not My Name" oder des Titeltracks mitzusingen und mich über den schluffigen Glam-Punk zu freuen. Belanglos ist das Album immer noch - und damit erinnert es sehr an die Platte der Towers Of London (falls sich an die noch jemand erinnern kann, Anm. d. Red.). Aber lustig ist es eben auch, weil das gute alte Power-Ding immer noch ab und an funktioniert. Freilich ist nicht jeder Song ein Hit, aber "Great DJ", "Traffic Light" oder "We Walk" sind echte Muntermacher - vor allem, weil Katie White den coolen, leicht schlampigen Debbie-Harry-Klon gibt. Ansonsten: Viel bunter Rauch um nichts, aber das geht schon in Ordnung.

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Coldplay - Viva La Vida Or Death And All His Friends

ØØ 1/2

EMI (GB 2008)

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Was soll man über Coldplay schon sagen? Daß sie längst die U2 für das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts geworden sind? Falsch ist diese Feststellung nicht, denn zum einen sind sie bei den aufgeklärteren Massen ähnlich erfolgreich, zum anderen geht Mastermind Chris Martin sogar noch ernster zu Werke als Bono. Dieser Umstand hatte zur Folge, daß Scherzbold John Lydon/Rotten in der britischen Musikpresse einen Eimer Häme über das humorlose Quartett aus London auskippte. Was natürlich gar nichts über die Musik der immer noch deutlich von Travis beeinflußten Supergruppe aussagt.

"Viva La Vida", das vierte Album von Coldplay, entstand mit Unterstützung von Brian Eno, aber das hört man kaum. Im Vordergrund steht immer noch die Breitwandversion dessen, was in den USA als "Alternative" bezeichnet wird, aber eigentlich nur eine moderne Variante des Stadion-Rock darstellt. Auf diesem Terrain sind Coldplay aber nicht schlecht: An "Lovers In Japan/Reign Of Love" oder dem Opener "Life In Technicolor" hätten auch die berühmten Iren ihre Freude, das Doppelstück "Yes/Chinese Sleep Chant" entspricht in seiner dichten, kammermusikalischen Art am ehesten dem Werk Enos. Am Ende ist es für viele Fans sicher zu lärmig. Dazwischen wird wie stets hemmungslos zitiert, selbst vor "House Of The Rising Sun" machen Martin und Co. nicht Halt. Höhepunkt des Albums ist das Donnergrollen des intensiven, durchgeknallten Hysterie-Blues "Violet Hill", mit dem die Band auf den Spuren der frühen Bad Seeds (Ähm, wie meinen? Entrüstung d. Red.) wandelt.

Links:

Kommentare_

Martin Brock - 20.06.2008 : 19.16
Doch, der Autor hat schon recht. Wenn man das Heulsusige abzieht, bleibt ein düsterer Song. Mit besserer Stimme und mehr Moll wird Cave draus. Das liegt an den Harmonien. Also: Ein großer Scheitt für Coldplay, ein kleiner für den Rest der Welt. Aber Cave ist natürlich mit dem Arsch cooler.

Martin

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