Musik_CD-Tips KW 26/08

American Idiots

Alte Punks, ein noch älterer Surf-Song-Interpret und ein sehr illustrer DJ-Sampler - die bunte Wochenmischung bietet für beinahe jeden ein Leckerli.    27.06.2008

Manfred Prescher

The Offspring - Rise And Fall, Rage And Grace

ØØ 1/2

SonyBMG (USA 2008)

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Wer ist nun der echte American Idiot? Bryan "Dexter" Holland, der Sänger der eigentlich schon mit dem 89er-Debütalbum frühvergreisten Punk-Stars The Offspring oder die US-Fans, die dieses Altersruhewerk erwerben? Klare Antwort: Es sind die immer noch zahlreichen Offspring-Jünger, die ganz nebenbei mit ihrem Kauf die Rente der Band aufbessern werden. Immerhin drei Gründungsmitglieder sind in der aktuellen Besetzung aktiv und zeigen zumindest das, was man von Genre-Veteranen wie Bad Religion oder eben Offspring erwarten kann: beinahe klassischen Rüpelrock, der bei Licht betrachtet gar nicht sooo übel ist, zumindest innerhalb des Offspring-Gesamtwerks.

Im Gruppenkontext waren die vorangegangenen Studioalben "Splinter" (2003) und "Conspiracy Of One" (2000) deutlich schlechter, weil kraftloser. Der beste Song mit der einprägsamsten Hook ist "Stuff Is Messed Up"; beim Rest hat man unweigerlich das Gefühl, genau diesen Stampfer schon mal gehört zu haben. "Takes Me Nowhere" könnte von "Americana" stammen, die Single "Hammerhead" von "Smash" etc. pp. Mit "A Lot Like Me" ist sogar ein Lied zum Feuerzeugschwenken dabei. Alte Punks können halt auch rührselig sein.

Links:

Dennis Wilson - Pacific Ocean Blue/Bambu

ØØØØØ

SonyBMG (USA 1977/2008)

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Ist "Pet Sounds" nun eines der drei bis fünf besten Alben aller Zeiten oder nur ein gnadenlos überkandideltes, überhypetes Miststück von Langspielplatte? Diese Kardinalsfrage der Popmusik läßt sich längst nicht mehr objektiv beantworten, da man Brian Wilsons Produktions-Overkill entweder haßt oder ihm verfallen ist.

Der jahrzehntelangen Dauerberieselung durch Befürworter und Gegner ist "Pacific Ocean Blue" von Brians Bruder Dennis schon dadurch entgangen, daß es nie neu aufgelegt wurde. Das erste und einzige fertiggestellte Soloalbum des ehemaligen Strandjungen war direkt nach der Veröffentlichung im Jahr 1977 zwar recht erfolgreich - erfolgreicher sogar als das gleichzeitig erschienene Beach-Boys-Album "Love You" - und wurde damals auch hymnisch rezensiert, aber es geriet in Vergessenheit. Genau wie die Person des Dennis Wilson, die doch zur Rock-Legende taugen würde: Wilson war mit schrägen Typen wie Charles Manson befreundet, nahm so ziemlich alles, was sich an Drogen reinziehen läßt, und kam auch noch auf spektakuläre Weise ums Leben. 1983 ertrank er im Yachthafen von L. A. bei einem Tauchversuch nach vermißten Gegenständen oder dem verlorenen Leben oder so - und hatte dabei Alkohol, Valium und Koks intus.

Seine zweite Platte "Bambu" beendete er nicht mehr. Die bereits aufgenommenen Songs dieser Session sind nun auf der Doppel-CD zu finden, doch den Kern bildet das Album "Pacific Ocean Blue". Es ist ein Meisterwerk, das ungeheure Leichtigkeit mit schwer depressiven Elementen verbindet. Belle & Sebastian hätten eine Freude an diesen Liedern einer zerrissenen Persönlichkeit. "Moonshine", "Friday Night" oder "You And I" sind schlicht ergreifend schön - und kommen völlig ohne "Pet Sounds"-Opulenz aus. Mit "End Of The Show" und "Farewell My Friends" begann die Abschiedsvorstellung des Dennis W. auf intensive, magische Weise. Was an dieser Stelle auch gesagt werden muß: Dennis Wilson war nicht nur ein großer Sänger, er war auch der einzige Beach Boy, der wirklich surfen konnte.

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V/A - Atomix

ØØØØ 1/2

Panatomic/Groove Attack (D 2008)

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Diese Feststellung muß einfach gemacht werden: Das Atomic Café in der Münchner Neuturmstraße 5 ist einer der besten und coolsten Clubs im deutschsprachigen Raum. Wer´s nicht glaubt, der sehe sich den "Target Club", Flo "Soulman" Kellers "Black Beatschuppen" oder den freitäglichen "Smart Club" an, wo zum Beispiel Sir Hannes und Resident-DJ Volker Schadtcroft innovativen Club-Pop-Indie-US-College-Dingenskirchen unters Party-Volk bringen.

Wer eine größere Atomic-Dosis braucht oder wem der Trip nach München zu aufwendig ist, der kommt um den Sampler "Atomix" nicht herum. Auch allen anderen sei die von Schadtcroft konzipierte Zusammenstellung wärmstens empfohlen: Der CSS-Remix vom Wombats-Hit "Kill The Director", LCD Soundsystems "Daft Punk Is Playing At My House" im Soulwax-Gewand, der Bloc-Party-Klassiker "Hunting For Witches" im Remix von Fury 666 oder die Daft-Punk-Bearbeitung von Franz Ferdinands "Take Me Out" sind groß. Und die Mischung der Mix-Varianten ist ebenfalls eine Klasse für sich. Alle Tracks auf "Atomix" funktionierten bereits im Club, machen sich aber auch in der privaten Stereoanlage prächtig.

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