Musik_CD-Tips KW 31/07

Originell ist nicht gleich Original

Ob man über einen Witz lachen kann, ist Geschmackssache. Wenn die Füße bei musikalischen Scherzen mitwippen, ist das hingegen ein Automatismus. Zwei der hier vorgestellten Platten belegen dies.    03.08.2007

Manfred Prescher

The Twang - Twang ´em High

ØØØ

Indigo (D 2007)


Eines vorweg: Mit den derzeit gehypeten britischen Twang und ihrem Album "Love It When I Feel Like This" haben diese Jungs nichts zu tun. Die Band kommt aus der norddeutschen Tiefebene und hat sich mit bislang zwei wundervollen Platten ("Countryfication" und "Let There Be Twang") einen Namen bei den Pulp-Country-Fans gemacht - und zwar mit countryfizierten Versionen bekannter Pop-Hits aus allen Epochen. Lange bevor Olli Dittrich auf die Idee kam und auch bevor es Boss Hoss zu schauderlichem Ruhm brachten, sorgten The Twang für soliden Spaß auf Weltniveau. Wer einmal ihre Variante des Spice-Girls-Hits "Spice Up Your Life" gehört hat, der weiß, was ich meine.

Das dritte Album wirkt im Vergleich dazu eher langweilig, es fehlt ein wenig die Würze. Was daran liegt, daß einige Versionen nur bedingt zünden - so zum Beispiel "Let Me Entertain You" oder "Another Brick In The Wall Part 2". Grenzwertig ist auch "Your Song", im Original von Elton John. Richtig gelungen ist dafür zum Beispiel "Crazy": Im Gegensatz zum Gnarls-Barkley-Hopser klingt die Twang-Variante eher so, als ob der Verrückte gerade erschöpft zusammenbrechen würde. Fein sind auch "Jumping Jack Flash", "Fight For Your Right" und "You´re Beautiful", das ohne James Blunts Attitüde einfach ein netter kleiner Country-Song ist. Noch ein Tip: CD nicht vor dem Bonus-Track aus dem Player nehmen, es lohnt sich. Yeeh-haw!

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Gogol Bordello - Super Taranta

ØØØØ

Sideonedummy/Cargo Records/Trost (USA 2007)


Ethno-Punk gibt es schon lange und in den verschiedensten Ausprägungen. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang Flogging Molly oder Manu Chaos Weltmusik-Konglomerat Mano Negra. Mit letzteren haben Gogol Bordello viel gemein, vor allem den schweißtreibenden Einsatz unterschiedlichster Stilelemente. Oberflächlich betrachtet verwundert es ein wenig, daß GB aus New York kommen, weil die Gruppe doch mehr nach Osteuropa, Balkan und Israel klingt. Dabei verwursten sie nur ihre jeweilige Herkunft - und die liegt eben in den erwähnten Regionen. Bandleader Eugene Hütz stammt beispielsweise aus der Ukraine; nur der Drummer ist Amerikaner.

Mittlerweile sechs Alben lang verknüpfen Gogol Bordello Klezmer und in unseren Ohren sonderbar klingende Folklore mit dem Fun früher Ramones-Songs. Was sich genauso anhört, wie es sich liest: krude, wild, auch sprachlich ungewöhnlich und doch eingängig. "Super Taranta" ist ein bunter Eintopf voll unbekannter Zutaten. Daß er schmeckt, liegt am Rhythmus, bei dem wirklich jeder mitmuß, und an simplen, aber hübschen Melodien, die sich unter den Ethno-Sounds verstecken - so zum Beispiel bei "Forces Of Victory", "Supertheory Of Supereverything" (schon der Titel ist klasse) oder "Harem In Tuscany (Taranta)".

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The Beasts Of Bourbon - Little Animals

ØØ

Albert Music/Rough Trade (Australien 2007)


Schon wieder eine Band, die sich an ein Comeback wagt: Der Australier Tex Perkins und seine diversen Mitstreiter haben uns vor etwa einem Jahrzehnt mit dem passend betitelten Album "Gone" verlassen. Man mußte nicht allzu traurig sein, denn ihr tiefer Drecks-Blues, vor allem aber ihre rüden Country-Attacken haben einen nicht zu unterschätzenden Ewigkeitswert. Ihre inhaltliche Nähe zu Townes Van Zandt, gepaart mit Rock-Instrumentarium, machte die Herrn aus down under sogar zu Vorläufern der Americana-New-Country-Welle - was man bei Supersuckers, Uncle Tupelo oder Wilco sicher nicht so gern hört.

"Little Animals" klingt eher nach Perkins´ Zweitband The Cruel Sea, pflegt also meist die blues-rockigen Elemente. Das klingt dann schon mal düster und bedrohlich - etwa in "I Don´t Care About Nothing". Es ist kein Wunder, daß die Beasts nun in Australien bei dem Label unter Vertrag sind, bei dem unter anderem AC/DC und Rose Tattoo veröffentlichen. "Little Animals" klingt manchmal nach Stoner-Rock, was ganz okay ist. Ihre besten, weil kaputtesten Phasen haben die Beasts aber immer, wenn sie es richtig langsam angehen - oder ausklingen - lassen, so wie seinerzeit im 1991er-Meisterwerk "The Low Road" und dem Grabgesang "Goodbye Friends". Genauso groß ist auch das abschließende "Thanks". Ähnliches Thema, ähnlich prima gelöst. Bleibt die Hoffnung, daß es davon auf dem nächsten Album mehr geben wird.

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