Musik_CD-Tips KW 46/07

Wilde Wombats und alte Adler

Englands neue Hoffnung, verrückte Amis und der Abgesang auf den melodischen Country-Rock - wer diese drei Platten mag, ist König der Eklektizisten.    16.11.2007

Manfred Prescher

The Wombats - Proudly Present A Guide To Love, Loss & Desperation

ØØØØØ

14th Floor/Rough Trade (GB 2007)

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Wie heißen die? Wombles? Zum Glück nicht, denn Wombles waren überdimensionale, gruselig öde Pelzwesen, die vor Jahr und Tag die britischen Charts bevölkerten. Wombats sind eigentlich auch haarige Wesen, aber doch recht possierlich, wie Heinz Sielmann sagen würde. Sie leben in Australien und interessieren sich nicht für Pop - im Gegensatz zu ihren Namensvettern aus der Beatles-Bastion Liverpool: Das Trio wirkt wie ein genetischer Mix aus Kaiser Chiefs und Art Brut und damit nicht wirklich neu, aber logischerweise ungeheuer unterhaltsam.

Ihr Album steckt voller hübscher Melodien und angenehm ferkeliger Pubertärtexte, die von Sänger und Gitarrist Murph mit einer Stimme wiedergegeben werden, die klingt, als sei er Roger Daltrey auf Acid. Beinahe jeder Song ist ein Hit, angefangen beim finalen "My First Wedding", wo Murph hofft, daß es auch seine letzte Hochzeit sein möge, über "Backfire At The Disco", "Kill The Director" oder "Little Miss Pipedream". Extrem gut ist auch der Hit "Let´s Dance To Joy Division" - was ja bekanntlich noch heute viele tun. "Love Will Tear Us Apart" gehört schließlich zu den ewigen Wahrheiten. Ob wir die Wombats in zehn Jahren noch lieben werden, sei dahingestellt, im Hier und Jetzt sind sie allerdings groß.

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Eagles - Long Road Out Of Eden

ØØØ

Universal (USA 2007)

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Was treibt eine Band nach 28 langen Jahren wieder ins Studio? Bei jeder anderen Kombo würde ich auf Rentensicherung tippen, aber das haben die Eagles definitiv nicht nötig. Schließlich war in den 70ern in den Staaten niemand erfolgreicher - und die Herren leben wahrscheinlich allein von den Tantiemen von "Hotel California" prächtig. Der ewige Gassenhauer ist aber auch eine Klasse für sich.

Das Titelstück des neuen Albums ist faktisch ein Remake des Mega-Hits, 10:15 Minuten lang und mit elegischem Dauersolo. Ausgesprochen hübsch. Natürlich darf man es den Eagles nicht ankreiden, daß sie wie eh und je klingen, daß sich zum Beispiel "How Long" sehr an "Take It Easy" orientiert. Genau das erwarten die Fans schließlich. Und mit "Long Road Out Of Eden" bekommen sie ein Doppelalbum, bei dem zumindest die Hälfte der 20 Songs zündet. Als Einzelplatte wäre das Werk so gelungen wie die vorangegangenen sechs Studioproduktionen, aber die Eagles wollten zuviel des Guten. Da sie aber eigentlich vorhatten, nie mehr gemeinsam Platten aufzunehmen, sei ihnen das unnötige Füllwerk verziehen.

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Orson - Culture Vultures

ØØ

Universal (USA 2007)

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Während die Eagles so klingen, als seien sie aus Kalifornien, sind es Orson wirklich. Das Quintett tönt allerdings eher wie eine Band aus New York. Die Jungspunde lieben es also, mit amerikanischen und britischen Einflüssen zu spielen. Ein wenig Punk, ein wenig Police, ein wenig frühe Rolling Stones; das ergibt auch auf dem zweiten Album etwas zuviel Beliebigkeit - vor allem, wenn sogar Michael Jackson, Robbie Williams und Green Day verwurstet werden.

Sieben der elf Songs auf "Culture Vultures" sind noch dazu recht fader Einheitsbrei, die Allerweltskompositionen sind deutlich in der Überzahl. Witzig, weil für ein Abschiedslied überaus fröhlich, saugen sich "Debbie´s Gone" und "Broken Watch", das die Trennungssachlage von der anderen Seite betrachtet, in die Gehörgänge. Solche Stücke funktionieren - wie auch der Hit "Ain´t No Party" - als Single, gehen aber auf einem mediokren Album voller Power-Pop und Zitaten-Kunsthandwerk leicht unter.

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