Stories_Google-Börsengang

Google und die Börse

Der bevorstehende Ausflug der größten Suchmaschine in den Wertpapierhandel sorgt weltweit für Aufsehen und wilde Spekulationen. Stefan Becht berichtet.    04.05.2004

Wie zu erwarten war, sorgte der 768 Seiten starke Börsenprospekt, den die Suchmaschinenfirma Google am Freitag letzter Woche bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC einreichte, weltweit für ein ziemliches Medienspektakel.

Google wird - nach dem Internet-Hype und seinem Abgesang - in den USA als "heißeste IPO des Jahres" gehandelt. Erstmals werden im nun vorliegenden Börsenprospekt auch konkrete Umsatz- und Gewinnzahlen veröffentlicht. Für das erste Quartal 2004 zeigt Google darin einen Umsatz von 390 Millionen und einen Gewinn von 64 Millionen US-Dollar an. Zum Vergleich: Yahoo nennt für den gleichen Zeitraum einen Umsatz von 758 Millionen und einen Gewinn von gut 101 Millionen US-Dollar.

Wozu also der ganze Aufruhr? Und vor allem: Was ist Google eigentlich? Bereits die Märzausgabe der Zeitschrift "Wired" widmete sich ganz der "Googlemania", und die Ankündigung Googles, den werbefinanzierten E-Mail-Dienst "Gmail" anbieten zu wollen, bei dem Anzeigen passend zum Nachrichtentext hineingewürfelt werden, sorgte für harsche Kritik. Verwirrung herrscht vor allem darüber, welches eigentlich die physikalischen Werte von Google sind. Die Zahlen reichen hier von 10.000 bis 100.000 Servern und von 1000 bis 2000 Angestellten. Eine schöne Geschichte mit dem Titel "Geheimniskrämerei bei Google?" gibt es übrigens in der neuen Ausgabe der Zeitschrift "Technology Review" oder auf den Online-Seiten von Heise zu lesen.

Die Suchmaschine Google wurde jedenfalls erst im September 1998 von zwei Studenten gegründet; inzwischen gilt sie als der beliebteste Suchdienst im Web. Jetzt gibt es bereits erste Spekulationen darüber, was Google mit dem Börsengeld wohl anfangen werde - vielleicht den Computerhersteller Apple kaufen (fragt Jimmy Gutermann von "Business 2.0"), um damit Microsofts Fast-Monopol zu brechen?

Immerhin werden Yahoo und Microsoft im Börsenprospekt als die schärfsten Konkurrenten genannt. Und Microsoft kündigte bereits vor Monaten - im Einvernehmen mit Yahoo - an, eine eigene Web-Suchmaschine herausbringen zu wollen. Google ist sich der Gefahr, an vielen Fronten kämpfen zu müssen, durchaus bewußt. Auch Amazon startete vor kurzem eine eigene Suchmaschine: A9.com. In einem Gespräch mit Udi Manber, dem Chefentwickler dieser Engine, für "Business 2.0" geht der Journalist John Battelle unter anderem der kritischen Frage nach der Speicherung der vorgenommenen Suchen ("Search History") nach.

Der Börsengang von Google ist aber auch ein ganz anderes Zeichen: Das Web wird, allen Unkenrufen zum Trotz, einen zweiten Frühling erleben. Vielleicht weniger aufgeregt als vor einigen Jahren - aber es ist ja auch schon etwas älter geworden. Alle, die schon etwas länger dabei sind, dürfen sich jedenfalls auf gute Zeiten freuen.

Stefan Becht

Kommentare_

Akzente
Ein Bild und seine Geschichte #2

Die coole Einstiegsdroge

Stefan Becht macht sich schon wieder Gedanken. Im Mittelpunkt der zweiten Ausgabe von "Ein Bild und seine Geschichte" steht Edward Steichens Ablichtung des Stummfilmstars Gloria Swanson.  

Akzente
Ein Bild und seine Geschichte #1

All Tomorrow´s Parties: Wie im richtigen Leben, nebenan

Stefan Becht macht sich endlich wieder für EVOLVER Gedanken. Im Zentrum seiner Aufmerksamkeit: ein Bild, ein Buch und die Geschichte dahinter. In der ersten Ausgabe dreht sich alles um "I went to the worst of bars hoping to get killed. but all I could do was to get drunk again" von Ciáran Óg Arnold.  

Stories
William Gibson im Interview

"Meine neue Droge ist Jetlag"

Stefan Becht und Markus Friedrich trafen den "Granddaddy des Cyberspace" wieder einmal zum Gespräch - und der EVOLVER präsentiert das Interview erstmals in seiner ungekürzten Fassung. Cyberpunk ist für Gibson "nur noch eine Pantonefarbe im bunten Farbfächer der Popkultur".  

Stories
Web-Welt und E-Book-Reader

Die Rechnung ohne den Wirt

Auf der Leipziger Buchmesse will man uns wieder einmal erzählen, daß bedrucktes Papier der Vergangenheit angehört. Stephan Becht fragt nach, wer am Hype rund ums elektronische Buch verdient: Frißt die Revolution schon ihre Kinder, bevor sie überhaupt begonnen hat?  

Stories
Web-Welt: Amazon kauft Fabric.com

All That Money Can Buy

Kaufrausch ohne Ende: Amazon hat mit der Modestoff-Großhandels-Seite Fabric.com schon wieder einen Zukauf getätigt - und Jeff Bezos beteiligt sich außerdem am Micro-Blogging-Dienst Twitter.  

Akzente
The Experimental Witch

Einer für alle, alle für einen

Bestseller-Autor Paul Coelho läßt seine Leser via MySpace und YouTube seinen Roman "Die Hexe von Portobello" verfilmen. Warum? Stefan Becht weiß Genaueres.