Kolumnen_Miststück der Woche, Pt. 14

Beyoncé feat. Slim Thug: "Check On It "

Der rosarote Panther ist wieder da - nun aber an der Seite einer Disco-Hüpfmaus. Manfred Prescher ist sicher, daß das ungleiche Duo zu den Nervensägen des Jahres gehören wird.
   06.02.2006

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.

 

Der Panther, geschmeidig wie er nun mal ist, käme wahrscheinlich prima mit dem R&B-Rhythmus von Beyoncés "Check On It" zurecht - wenn er nicht schon zu alt für jugendliche Tollheiten wie HipHop-Beats wäre. Das steht zumindest zu befürchten, denn immerhin erblickte das rosafarbene Kätzchen bereits 1963 das Licht der Welt, damals als Zeichentrick-Intro zu Blake Edwards´ Film "Pink Panther", in dem der vertrottelte Inspektor Clouseau (Peter Sellers) einem sündteuren Juwel namens Pink Panther hinterherjagte. In fünf mehr oder minder gelungenen Fortsetzungen mit Sellers, einem abschließenden, aus Restbeständen und Szenen der anderen Streifen zusammengestückelten Machwerk und einer Zeichentrickserie kam Paulchen, der rosarote Panther, wieder - meist allerdings ohne Mancinis geniale Titelmelodie.

Damit könnte man es eigentlich genug sein lassen, sich über die alten Trickfilme freuen oder über Peter Sellers lachen - wenn die Musik- und Filmindustrie bloß nicht immer und immer wieder in der Klamottenkiste herumwühlen würden. Natürlich ziehen sie da nicht nur "Starsky & Hutch", "Der Vater der Braut", oder "King Kong" heraus. Alles, was einmal gut und erfolgreich war, kann es wieder und wieder in die Charts, die Box-Offices und die heimischen Abspielgeräte schaffen. Schuld an dieser Vorgehensweise ist ein Mix aus Ideenlosigkeit und Panik, weil es nicht mehr viel Cash bringt, etwas zu Markte zu tragen, wenn immer mehr Menschen den Song oder den Film längst schon kostenlos aus dem Netz gesaugt oder raubkopiert haben. Bevor nun auch noch die letzten Felle auf dem E-Mule davon reiten, geht man lieber auf Nummer sicher, verschwendet keine Ressourcen oder gar etwas vom knapp gewordenen Geld für Ideenschmieden. Bei dieser einfältigen Vorgehensweise kommen zwangsläufig nur selten Highlights wie etwa Scorceses Remake von "Cape Fear" heraus.

Wenn das Machwerk mies ist, garantiert wenigstens noch Hollywoods Liaison mit den Top-Stars der Billboard-Listen maximalen Umsatz. Das nennt man "Crossover-Marketing" und führt zu Hit-Singles, die den Film pushen (und umgekehrt), zum Playstation-Game, zum Klingelton, zur DVD-Box mit beiliegender Karaoke-CD. Also wird auch alles, was mit dem 2006er-Aufguß von "Pink Panther" zu tun hat, dafür sorgen, daß das Maximum verdient wird. Und das, obwohl der Film eher mittelmäßig und B-Movie-Schauspieler und -Regisseur Shawn Levy kein Blake Edwards ist. Sogar eine veritable, gerade vom absteigenden Ast rutschende Knallcharge wie Steve Martin, der den Inspektor Clouseau geben darf, schadet der penetranten Mehrfachvermarktung nicht.

 

Schließlich ist mit dem Destiny Child Beyoncé Knowles der derzeit angesagteste weibliche R&B-Star dabei und wird dafür sorgen, daß sich die Teenies weltweit auch wieder für den in die Jahre gekommenen Kater mit dem rosafarbenen Fell interessieren. Die Texanerin hat schon reichlich Erfahrung mit Hollywood, sie spielte durchaus achtbar im dritten Teil des Austin-Powers-Klamauks mit, und ihre Songs waren unter anderem in den Fortsetzungen von "Bad Boys" und "Bridget Jones" sowie in der Leinwand-Wiederauferstehung von "Drei Engel für Charlie" zu hören. Mit der gigantischen kalifornischen Wiederaufbereitungsanlage hat sie sich längst arrangiert, ist - wie es scheint - ein Teil davon geworden. Denn mit dem Movie-Song "Check On It" wird nicht nur der ewig gleiche, schon in den 80er Jahren von Producer-Genius Teddy Riley in den Alt-Groove-Container geworfene Hops-Beat recycelt, sondern auch Spurenelemente der Melodie, die 1963 Film und Intro-Strip begleiteten. Was Mancini wohl dazu sagen würde? Es würde ihn wahrscheinlich ärgern, wie Mensch und Computer seine filigrane Komposition in einen simplen Hauruck-Funk einarbeiten.

Auch der Rest von "Check On It" ist nicht neu oder gar als Auftragsarbeit für das aktuelle Prequel entstanden. Das Lied wurde einfach vom erfolgreichen Destiny´s-Child-Sampler "#1´s" genommen - mit dem Effekt, daß dieser vulgäre Bastard von einem Song seit über drei Monaten die Soundanlagen in den Hummers, Blazers und Cherokees gleichschaltet.

"Check On It" ist die von der Industrie erwartete Nummer eins in den US-Hitparaden geworden, hat sich fast zwei Millionen Mal verkauft und ist auch in den illegalen Tauschbörsen zig-tausend Mal zu finden. Wenn der Film Anfang März im deutschsprachigen Raum anläuft, wird dieses Miststück von einem Lied längst auch hierzulande ganz vorne in den Charts rangieren. Wer dagegen wetten will, soll sich ruhig bei mir melden. Er wird dann erkennen müssen, daß das Musik-Recycling erneut funktioniert: "Heute ist nicht alle Tage, alles kommt wieder, keine Frage."


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Destiny´s Child - #1´s


Sony/BMG (USA 2005)

 

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