Kino_Michael Clayton

Wahrheit ist wandlungsfähig

Der Drehbuchautor Tony Gilroy wechselt ins Regiefach - mit einem atemberaubenden Thriller um einen Ex-Anwalt, der gegen die illegalen Machenschaften eines Riesenkonzerns zu kämpfen hat. Dabei zeigt er, daß Thriller nicht gleich Thriller und Schweigen oft wirklich Gold ist.
   28.02.2008

Michael Clayton (George Clooney) war früher Staatsanwalt. Jetzt arbeitet er in einer renommierten Anwaltskanzlei in New York. Was er dort macht, wissen nur er und ein paar seiner Kollegen. Anwalt ist er jedenfalls nicht. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, private Probleme zu bereinigen. Ob nun seine Klienten oder seine Kollegen davon betroffen sind und egal, worum es sich handelt, von der Fahrerflucht bis zum Drogenbesitz: Clayton kann alles aus der Welt schaffen.

Deshalb wird er auch eingesetzt, als sein Kollege Arthur Edens (Tom Wilkinson) bei einer wichtigen Anhörung vor laufender Kamera ausflippt, sich die Kleider vom Leib reißt und nackt durch die Gegend läuft. Der angeblich manisch-depressive, aber geniale Anwalt habe seine Medikamente nicht eingenommen - so die offizielle Erklärung. Doch hinter der Sache steckt einiges mehr: Edens arbeitet für den internationalen Chemiekonzern U-North an der Abwendung einer Milliarden-Dollar-Klage wegen giftiger, tödlicher Substanzen. Als er durchdreht, bringt er damit eine Lawine ins Rollen, die kaum aufzuhalten ist. Clayton versteht, daß Edens nicht verrückt geworden, sondern der Wahrheit auf die Spur gekommen ist.

 

Eine spannende Story um Anwälte, böse Machenschaften riesiger Konzerne und schockierende Wahrheiten entrollt sich und macht "Michael Clayton" schon von der ersten Einstellung an zu einem packenden und mitreißenden Thriller, der nicht im Traum erahnen läßt, daß sein Macher ein Anfänger in Sachen Regie ist. Tony Gilroy, der die Drehbücher zur "Bourne"-Trilogie schrieb, absolvierte mit "Michael Clayton" sein Regiedebüt, griff dabei aber auch wieder selbst zur Feder, um ein Drehbuch zu schreiben, das ein Kompliment verdient - keine sinnlosen Dialoge, kein Wort zu viel, jeder Satz an der richtigen Stelle. Das Ergebnis ist ein Film, der Stille und Schweigsamkeit perfekt zu nützen weiß. Gilroy setzt in solchen Momenten auf die Mimik und darstellerische Leistung seiner Schauspieler und gibt damit nicht nur George Clooney, sondern auch Nebendarstellern wie Tom Wilkinson, Tilda Swinton und Sydney Pollack die Möglichkeit, ihr schauspielerisches Talent voll auszuschöpfen.

Die Atmosphäre des Films wird durch Kameraführung und Schnitt unterstützt; zusammen mit der tristen Grundstimmung um illegale Machenschaften, Tod und familiäre Probleme der Hauptfigur verleiht sie "Michael Clayton" Ernsthaftigkeit und Schwere. Der Streifen gesellt sich dadurch nicht zur großen Anzahl zwar unterhaltender, aber seichter Hollywood-Thriller, sondern bildet eine löbliche Ausnahme. Kein Moment ist langweilig oder schlecht durchdacht. Regie, Inhalt, Drehbuch und Kamera sind perfekt aufeinander abgestimmt. Trotz ruhiger Momente bleibt die Spannung immer aufrecht. Gerade diese Ruhe scheint für das Gefühl brodelnder Unruhe zu sorgen und läßt Raum für die facettenreichen Themen des Films.

Wie der Titel schon sagt, geht es eigentlich um die Hauptfigur - einen Anwalt, der eigentlich keiner ist, sondern sein Geld damit verdient, ohne Rücksicht auf Verluste alles Notwendige für seine Klienten zu tun. Zu diesem Zwiespalt des unmoralischen, aber durch seine Vaterrolle doch irgendwie auch guten Menschen kommt noch ein gigantischer Konzern, der mit Moral noch viel weniger am Hut hat. Gilroy inszeniert diese Thematik mit außergewöhnlichen Mitteln und ohne ins Triviale abzugleiten, formt aus seinem Regiedebüt eine Charakterstudie und verpackt sie in einen ausnehmend spannenden Thriller. Dies ergibt in Kombination mit der hervorragenden, Oscar-prämierten bzw. zumindest -nominierten Besetzung und dem pointierten Drehbuch ein ausgezeichnetes Stück Spannungskino.

Christa Minkin

Michael Clayton

ØØØØ 1/2

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USA 2007

119 Min.

Regie: Tony Gilroy

Darsteller: George Clooney, Tom Wilkinson, Tilda Swinton u. a.

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