Kino_The Iron Lady

And the Oscar goes to ...

Es ist kein Wunder, daß Meryl Streep mit ihrer Rolle der englischen Premierministerin Margaret Thatcher den dritten Oscar ihrer Karriere gewann. Streep beweist einmal mehr, daß sie zu den fähigsten Schauspielerinnen der Gegenwart gehört.    03.03.2012

"Oh no! Her again", scherzt Meryl Streep bei der Dankesrede zum mittlerweile dritten Academy Award ihrer Laufbahn. Obwohl sie in "The Iron Lady" mit Margaret Thatcher förmlich verschmilzt, genießt sie in der realen Welt deutlich stärker die Sympathien von Kollegen und Publikum als ihr englisches Alter ego.

Es ist der sowjetische Rundfunksender Radio Moskau, der Margaret Thatcher 1976 mit dem berühmten Spitznamen "Iron Lady" versieht. Daß die Politikerin Gefallen an dieser Bezeichnung fand, paßt zu einer Frau, die für ihre Härte und Entschlossenheit bekannt war und zu den bedeutsamsten und gleichzeitig umstrittensten (weiblichen) Führungspersönlichkeiten der britischen Geschichte gehört.

 

Die englische Bühnenregisseurin Phyllida Lloyd versucht sich mit "The Iron Lady" zum ersten Mal an einem Biopic. Ihr Kinodebüt absolvierte sie 2008 mit dem unbeschwerten, kitschig-romantischen ABBA-Filmmusical "Mamma Mia!", das zu einem weltweiten Kassenschlager wurde.

In "The Iron Lady" wendet sich Lloyd naturgemäß weit ernsthafteren Themen zu und inszeniert - in erneuter Zusammenarbeit mit der wunderbaren Meryl Streep - eine wenig politische, dafür aber sehr menschliche Annäherung an die Person Margaret Thatcher.

 

Die mittlerweile über 80jährige ehemalige Premierministerin lebt zurückgezogen in einem Haus, das von Pflege-, Sicherheitskräften und Haushaltshilfen regiert wird. Allesamt sind sie besorgt über die geistige Gesundheit der ehemals großen Politikerin. Die weiß allerdings selbst, daß etwas nicht stimmt: Ihr eigentlich lange verstorbener Ehemann Denis (Jim Broadbent) erscheint ihr fortwährend als Halluzination und ist einer von vielen Auslösern für intensive Erinnerungen an weit zurückliegende Ereignisse.

Retrospektiv wird auf diese Weise das Leben der Margaret Thatcher wiedergegeben, wobei sich eine sehr persönliche Sicht der Dinge ergibt. Erzählt wird nur wenig von politisch und gesellschaftlich bedeutenden Geschehnissen, sondern von solchen, die den Menschen Maggie Thatcher beeindruckt haben müssen. So erfahren wir von der prägenden Beziehung zu ihrem Vater, wie sie ihren Mann kennengelernt, warum sie sich der Politik verschrieben hat und wie schwierig es war, Karriere und Familie zu vereinbaren.

Daß im Fall der eisernen Lady Mann und Kinder zu kurz kamen, verwundert nicht. Thatcher wird als Feministin, als mutige Frau und Rebellin charakterisiert, die von ihrer fixen Idee, die Welt zu verändern, angetrieben wird. An ihrem Lebensabend sieht sie auf ihr Leben zurück und entpuppt sich auch als liebende Mutter und Ehefrau, die mit dem Tod ihres Mannes und dem Erwachsenwerden ihrer Kinder nur schwer umgehen kann.

 

Lloyd setzt weniger auf die Wirkung einer prominenten Politlegende, sondern auf große Gefühle, indem sie den traurigen Abschied Thatchers von ihrem Mann und ihrer Vergangenheit zum Leitthema macht. Nicht selten verliert sich der Film deshalb in kitschigen, pathetischen Szenen und zeichnet ein vielleicht zu positives Bild einer Frau, deren politische Handlungen vielen verhaßt waren und bis zum heutigen Tag die Gemüter erhitzen. Doch werden eben diese Themen im Film entweder vollständig ausgespart oder sie finden nur aus Thatchers subjektiver Sicht Erwähnung.

Trotzdem punktet der Streifen gerade mit seinem autobiographischen Zugang, der Margaret Thatcher einen neuen, menschlichen Aspekt verleiht, die Figur aber gleichzeitig austauschbar macht: Abschiede müssen ja nicht nur Berühmtheiten durchmachen, wenngleich es in einem Leben wie dem Thatchers zweifellos spannendere Ereignisse zu betrauern gibt.

 

Tatsächlich beeindruckt "The Iron Lady" aber aufgrund seiner Hauptdarstellerin. Meryl Streep - großartig wie eh und je - meistert das Kunststück, Margaret Thatcher in einem mehrere Jahrzehnte umfassenden Zeitraum zu spielen. Zweifellos gehört sie zu den begabtesten und wandelbarsten Schauspielerinnen unserer Zeit, wenngleich sie in diesem Film auch von ausgezeichneten Nebendarstellern begleitet wird.

Mit Jim Broadbent agiert ein sehr fähiger Kollege an ihrer Seite; und auch die Jungschauspieler Alexandra Roach und Harry Lloyd (die jungen Thatchers) erbringen eine beachtliche Leistung.

Nicht zuletzt lebt "The Iron Lady" von einem professionell gearbeiteten Drehbuch (Abi Morgan zeichnet auch für "Shame" mit Michael Fassbender verantwortlich), woraus sich zwar kein großartiger, aber ein auf jeden Fall sehenswerter Film ergibt.

Christa Minkin

The Iron Lady

ØØØ 1/2

Die Eiserne Lady

Leserbewertung: (bewerten)

GB 2011

105 Min.

 

Regie: Phyllida Lloyd

Darsteller: Meryl Streep, Jim Broadbent, Alexandra Roach, Harry Lloyd, Richard E. Grant u. a.

 

Kinostart: 2. März 2012

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