Kino_Odette Toulemonde

Glücklich wie jedermann?

In seinem Regiedebüt beeindruckt Eric-Emmanuel Schmitt mit Empfindsamkeit und Feinfühligkeit und beweist: Jeder kann Glück finden - wenn er nur weiß, wie.    30.10.2007

Odette Toulemonde (Catherine Frot) ist eine einfache Frau. Wie ihr Name schon sagt, führt sie ein Leben wie jedermann, wie "toulemonde" eben. Und deshalb können sich die meisten Menschen, denen sie im Leben begegnet, weder an ihren Namen noch an sie selbst erinnern. So ist sie ihrem Lieblingsschriftsteller Balthazar Balsan auch nicht böse, als er sich bei ihrer zweiten Begegnung während einer Signierstunde nicht an sie erinnern kann. Odette ist an ihr tristes Leben gewöhnt. Sie arbeitet als Kosmetikverkäuferin in einem Einkaufszentrum, obwohl ihr die Bücherabteilung eigentlich lieber wäre. Aber wie sie selbst sagt, arbeiten hier alle an der falschen Stelle - sie ist nur wegen ihrer schönen Haut dort angestellt. Um ihr Einkommen aufzubessern, näht sie nebenbei Kostüme fürs Theater und kümmert sich zu Haus um ihren schwulen Sohn (Fabrice Murgia), die immer griesgrämige Tochter (Nina Drecq) und deren ungepflegten Freund (Nicolas Buysse).

Die Eintönigkeit ihres Lebens wird nur durch eine Sache in Schwung gebracht, nämlich durch die Bücher von besagtem Balthazar Balsan (Albert Dupontel). Er ist es, der sie am Leben erhält, wie sie sagt, ohne ihn wäre sie schon tot. So ist Odette natürlich dementsprechend aufgeregt, als sie zu seiner Signierstunde nach Brüssel fährt. Während sie in der Schlange auf ihre Begegnung mit Balsan wartet, studiert sie einige Sätze ein, die sie zu ihm sagen will. Doch als es soweit ist, bringt sie vor Aufregung nicht einmal ihren vollständigen Namen heraus. Beim zweiten Treffen ist sie besser vorbereitet und schreibt ihm einen Brief.

Während Odette beim Lesen von Balsans Büchern im wahrsten Sinne des Wortes in Glückseligkeit schwelgt, sieht die Welt der Literatur die Sache ein wenig anders. Der berühmte Kritiker Olaf Pims (Jacques Weber) macht Balsans neuestes Buch vor laufender Kamera im Fernsehen zunichte. Als der Autor dann auch noch herausfindet, daß seine Frau ihn mit dem verhaßten Kritiker betrügt, wünscht er sich nur noch den Tod. Da findet er zufällig Odettes Brief in seiner Jacke und beschließt kurzerhand, die scheinbar letzte Person auf der Welt zu besuchen, die ihn noch liebt.

 

Der Filmemacher und Autor Eric-Emmanuel Schmitt, der als Vorlage für den Film sein eigenes Buch verwendet hat, macht sein Regiedebüt "Odette Toulemonde" zu einer empfindsamen Komödie über die Suche nach Glück und die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Er erzählt von einer einfachen Frau mit einem nicht ganz so leichten Leben, die es aber trotzdem schafft, ihre Welt schön und bunt zu gestalten. Sie, die zum Glücklichsein die Bücher ihres Lieblingsautors verwendet, zeigt ihrem angebeteten Balthazar Balsan, daß jeder Mensch für sich herausfinden muß, was ihn glücklich macht. Trotz der Hochachtung, die sie für seine Arbeit empfindet, verhält sich Odette sehr bodenständig und nimmt Balsan bei sich auf, als er sie darum bittet. Der findet sich plötzlich in einer Welt wieder, die völlig konträr zu seiner eigenen ist, einer Welt voller Herzlichkeit, Freude und Wärme, in der Reichtum, Ruhm und Macht unwichtig sind. Odette versteht es, mit anderen Menschen umzugehen. So kümmert sie sich um "ihren" Schriftsteller, gibt ihm zu essen und einen Schlafplatz und zeigt ihm, daß in jedem Leben Hoffnung auf Glück besteht. Odettes Optimismus und ihre erfrischende Naivität begeistern den Autor. Obwohl sie ein bescheidenes Leben führt, erlebt sie mehr Heiterkeit und Freude als er, der sich in seiner Welt voll Glanz und Glamour nun alleingelassen und einsam fühlt.

Unterstrichen wird Odettes heiteres Wesen durch ihre Vorliebe für Lieder von Josephine Baker - immer wieder singt sie sich durch den Film und reißt dabei ihre Familie und schlußendlich auch Balsan mit sich fort. Diese musikalischen Einlagen, aber auch die Farbenpracht und der angenehme Kitsch, mit dem Odettes Welt ausgeschmückt ist und ihre innere Freude nach außen gekehrt wird, machen den Film zu einem besonderen Erlebnis. Schmitts Regiedebüt ist eine einfühlsame, mitfühlende Geschichte über Glück und Unglück, Liebe, Freude und Schwermut und zeigt uns, wie der gewöhnliche Alltag durch die richtige geistige Einstellung zu einer Welt voll schwereloser Glückseligkeit werden kann.

Christa Minkin

Odette Toulemonde

ØØØØ 1/2

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B/F 2006

100 Min.

Regie: Eric-Emmanuel Schmitt

Darsteller: Catherine Fort, Albert Dupontel, Jacques Weber u. a.

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