Fleet Foxes - Fleet Foxes
Sub Pop/Universal
Erbarmen, die Hippies kommen wieder! Und fast wie seinerzeit im Mai werden sie wieder als Vorboten des Sommers der Liebe gefeiert. Das ist zwar romantisch, aber irgendwie auch befremdlich - findet Manfred Prescher. 16.02.2009
Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.
Gegen freie und ungezügelte Liebe ist ja an sich nichts zu sagen - erst recht nicht in Zeiten, in denen in beinahe jedem Eck der Welt irgendwelche Fundamentalisten Scharmützel anrichten und der Holocaust geleugnet wird, während er ringsum immer noch stattfindet.
Das Motto "Poppe net Kloppe" ist allemal besser, als in irgendwelchen Giftküchen Atombomben zu bauen oder Anthrax-Tage zu zelebrieren. Das war anno 1968 schon so und ist es auch heute noch. Blöd ist nur, daß augenscheinlich als Untermalung für den allgemeinen Austausch von Körperflüssigkeiten wieder das Gedaddel von damals gehört werden soll. Zumindest, wenn es nach den Fleet Foxes geht, kommt die Ära wieder, als Gitarrensoli nicht in Sekunden oder Minuten, sondern in ALJ (ArmLangeJoints) gemessen wurden.
Die Kombo aus Seattle ist zwar noch nicht so weit wie Grateful Dead, die der Legende nach den Summer Of Love über auf einer Wiese nahe Frisco saßen und dort an einem einzigen Jam herumschrubbten, sodaß sich selbst Ornette Coleman über die Ausdauer der Langhaarigen-Kommune wunderte. Doch die Jungs um Robin Peckold und Skyler Skjelset sind auf dem besten Weg dahin, sich allmählich von einer Folkband in einen Hippie-Haufen zu verwandeln.
Interessanterweise ist das Quintett beim Grunge-Label Sub Pop unter Vertrag, was nur auf den ersten Blick befremdlich klingen mag. Man sollte an anderer Stelle vielleicht mal die Nähe Nirvanas zu den 68er-Idealen beleuchten; bei den Afghan Whigs, der Band Of Horses, aber auch den Walkabouts ist sie deutlicher zu spüren. Smells like peace spirit ... Und ich gebe zu bedenken, daß sich im ominösen Jahr 1968 auch andere eher erdige Formationen wie die Byrds oder Buffalo Springfield mit Sex und Drugs vom Rock´n´Roll verabschiedeten. Auf "Mykonos", dem zentralen Stück der Foxes-EP "Sun Giant", wird die Wandlung jedenfalls deutlich: Es beginnt mit einer netten, hübsch geklampften Melodie, an der auch Roger McGuinn seine Freude hätte, und endet im Stile der Endphase von Crosby, Stills, Nash & Young.
Noch ein Rückblick: Damals, vor gut 40 Jahren, war die Welt voll von komischen Vögeln. Sie kamen praktisch aus allen Himmelsrichtungen, um ins gelobte Land aufzubrechen. Das konnte man als Außenstehender durchaus auch mit aus Skepsis geborener Ironie kommentieren, wie es der Redneck-Outlaw David Allan Coe tat: "I´d heard The Burritos out in California could fly higher than The Byrds/Roger McGuinn had a 12-string guitar/It was like nothing I´d ever heard/And The Eagles flew in from the west coast/Like The Byrds they were trying to be free/While in Texas the talk turned to Outlaws/Like Willie and Waylon and me". Natürlich waren Willie Nelson, Waylon Jennings oder Coe mit ihrer Outlaw-Romantik und ihren Freiheitsdrang-Lyrics gar nicht so weit weg von den Hippies, aber immerhin waren ihre Hüte cooler und die Songs in der Regel kürzer.
Wer da sagt, daß eine Fuchsflotte noch keinen Sommer der Liebe macht, der vergißt, daß die Band nicht allein durch Wald und Flur ans Lagerfeuer drängt: Mit Devendra Banhart oder dem Animal Collective sind auch andere mit dem Friedefreudeierkuchen zu einem großen Picknick unterwegs. Der erste Höhepunkt des Hippie-Revivals war so um das Jahr 2006 herum, der zweite steht uns jetzt mit den Fleet Foxes ins Haus. Auch sie finden derzeit nämlich genügend Nachahmer.
Leider aber lehrt uns die Geschichte, daß der Sommer in den Herbst übergeht - und damit in die Zeit von Ernüchterung und Depression. Nach Woodstock kam Altamont, und an den grundlegenden gesellschaftlichen Bedingungen änderte sich sowieso nie etwas. Vielleicht, weil sich Frieden weder mit Happenings noch mit Schnellfeuerwaffen schaffen läßt? Und weil das Böse immer und überall ist? Zumindest die Vorgänger der Fleet Foxes waren schon - und das nahezu unbemerkt - während der Party in den Kausalzusammenhang integriert worden, nicht wahr, Joschka Fischer? Einen Hang zum Fatalen (Nirvana!) vorausgesetzt, kann man aber das Remake des Sommers der Liebe einfach genießen. Das bittere Ende kommt schließlich früh genug. Oder, um es mit Insterburg & Co zu sagen: "Der Herbst ist da, Sommer ist um/´s wird warm im Krematorium".
Nächste Woche wird es an dieser Stelle um einen Mann gehen, der das Ende bereits in Sichtweite hat, wie er selbst sagt: Charlie Louvin. Der Typ ist ziemlich über 80 und hat nun eine sehr gute Platte voller ziemlich böser Lieder aufgenommen - getreu dem Louvin-Brothers-Motto "Satan Is Real".
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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