Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Pulpmonitor

Dr. Trash empfiehlt: Lassen Sie den Schundroman weiterleben! Nicht nur, indem Sie in den wenigen verbliebenen Romantauschzentralen oder in Internet-Antiquarien alte Hefte und Bücher nachkaufen, sondern auch, indem Sie dem Romanheft von heute auf Ihrem E-Book eine Chance geben. Man kann ja dann immer noch höflich fragen, ob´s das auch gedruckt gibt. Zum Sammeln.    26.02.2015

Wenn ich mir was wünschen dürfte ...

Nein, jetzt kommt nicht der Schlager von Marlene Dietrich, sondern ein wirklicher Wunsch Ihres treuen Doktors, der zur Abwechslung mit beiden Händen nach der Lesezukunft greift und sagt: "Gib mir was! Etwas Sinnvolles, das du seit Jahrzehnten versprichst, aber nie hältst!" Unwirsch wendet sich die Zukunft - die daran gewöhnt ist, daß wir sie stillschweigend akzeptieren - mir zu und blafft: "Was willst denn, Burschi?"

"Nicht so, arrogante Schnalle!" schimpfe ich zurück. "Sonst kannst du dir deine Drohnenkriege und intelligenzvernichtenden Smartphones gleich irgendwo hinstecken. Horch zu: Ich wünsche mir kein papierweißes Kindle-E-Book und auch kein noch kleineres iPad, weil da kann ich mir gleich ein Handy zulegen, sondern das verdammte elektronische Papier, von dem seit den 90ern die Rede ist. Leicht, reißfest, falt- und abwischbar und mit jedem Inhalt zu füllen, der in der Cloud herumschwirrt ..."

"Geh, laß mi in Cloud!" schüttelt die Zukunft den Kopf. "Für was brauchst du denn das? Damit du leichter Zeitung lesen kannst?"

"Schau ich vielleicht aus wie ein dreimal eingeseifter Gehirngewaschener, daß ich noch Zeitungen konsumieren soll? Da kann ich mir ja gleich Elektroschocks geben lassen. Nein, o du kommende Zeit, ich will die wieder auflebende Kultur der Groschenhefte, die da durchs Datenreich schwirrt, stilgericht ehren. In der Straßenbahn Seiten umblättern, vielleicht sogar mit dem künstlichen Rascheln von etwas zu dünnem Papier, beim Aussteigen das Heft zusammenrollen und in die Sakkotasche stecken."

"Aja?" fragt da die Zukunft, die ja selbst ein Freund des Groschenromans ist und in ihm oft geehrt wurde, interessiert. "Was gibt´s denn da so?"

"Gscheit, daß du fragst, Zukunft - weil der Leser will das auch endlich wissen. Daher empfehle ich dir und ihm die folgenden Romane, die durchwegs erstaunlich gut sind, vor allem angesichts der Tatsache, daß kein Großverlag dahintersteckt: Claudia Kerns Serie Homo Sapiens 4 spielt in einer Welt, wo ein Virus die Erdbewohner in Zombies verwandelt hat und die wenigen richtigen Menschen als Nomaden durchs All ziehen: professionell, überraschend, erfreulich. Christian Humbergs Gotham Noir behandelt die Fälle des New Yorker Polizeireviers "666", in dem Dämonen keine Seltenheit sind: beste Urban Fantasy. Und Andrea Bottlingers Beyond handelt von einem Game, das sich aus dem Computer in die wirkliche Welt hinausbewegt hat: Cyberkrimis mit Verschwörungselementen.

Alle drei Serien erscheinen im Rohde-Verlag; weitere Informationen finden sich im Internetz. Und nächstes Mal präsentiert der Doc noch ein paar Heftl-Favoriten.

So, Zukunft - jetzt bist du dran!"

Dr. Trash

Dr. Trash empfiehlt

(Illustration © Jörg Vogeltanz)


erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

Links:

A Private Education

Schmutz & Schund


Jeder versucht sich am Trash - doch nur wenige wissen, wie er wirklich funktioniert. Um das Kunstschul-Unwesen hintanzuhalten, lud die österreichische Literaturzeitschrift "etcetera" zur Präsentation ihrer "Schund"-Ausgabe daher den Privatgelehrten zu einem Vortrag, der es wissen muß: Dr. Trash.
Der EVOLVER präsentiert dieses Manifest exklusiv - und fachgerecht illustriert - im Internetz. Wir bitten um höchste Aufmerksamkeit.

Links:

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